Wintersonne
Die 60-jährige Elfrida zieht von London in das kleine Dorf Dibton in Hampshire. Rasch findet sie dort neue Freunde.
Besonders nahe stehen ihr bald Oscar und Gloria...
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Die 60-jährige Elfrida zieht von London in das kleine Dorf Dibton in Hampshire. Rasch findet sie dort neue Freunde.
Besonders nahe stehen ihr bald Oscar und Gloria Blundell. Doch als Elfrida im Spätsommer aus einem Urlaub zurückkehrt, ist in Dibton nichts mehr, wie es war: Gloria und ihre kleine Tochter sind tödlich verunglückt, und Oscar hat sich in seine Trauer zurückgezogen.
Elfrida überredet ihn zu einem Ortswechsel und begleitet ihn nach Schottland. Bald steht dort eine junge Verwandte vor der Tür, die für reichlich Wirbel sorgt.
Wintersonne von RosamundePilcher
LESEPROBE
Bevor ElfridaPhipps London endgültig verließ und aufs Land zog, machte sie einen Abstecherins Tierheim nach Battersea und kehrte mit einem vierbeinigen Gefährten nachHause zurück. Sie brauchte eine gute - und herzzerreißende - halbe Stunde, bissie ihn schließlich fand, aber kaum hatte sie ihn entdeckt, wie er ganz dichtam Gitter seines Zwingers saß und mit dunklen, flehenden Augen zu ihr aufsah,da wusste sie, der oder keiner. Sie wollte keinen großen Hund, hatte aber auchfür kläffende Schoßhündchen nichts übrig. Dieser hatte genau die richtigeGröße. Eben Hundegröße.
Das dichte, weicheFell fiel ihm teilweise über die Augen, er konnte die Ohren spitzen oder hängenlassen und triumphierend mit dem buschigen Schwanz wedeln. Sein Fell warunregelmäßig braun und weiß gescheckt, und das Braun hatte genau die Farbe vonMilchschokolade. Als sie nach seinem Stammbaum fragte, meinte dieTierpflegerin, er hätte was vom Schottischen Schäferhund und was vom Deutschen Schäferhundund noch von etlichen anderen, nicht genauer identifizierbaren Rassen. Elfridawar es egal. Ihr gefiel der zutrauliche Ausdruck auf seinem Gesicht.
Sie hinterließ dem Tierheim in Battersea eine Spende und machtesich mit ihrem neuen Gefährten, der aufrecht auf dem Beifahrersitz neben ihrsaß und so zufrieden aus dem Fenster ihres alten Autos blickte, als könne ersich mühelos an dieses Leben gewöhnen, auf den Weg.
Am nächsten Tag ging sie mit ihm zum Schneiden, Waschen undFöhnen in den Hundesalon. Frisch gewaschen und lieblich nach Zitrone duftendkam er nach Hause zurück und dankte ihr die zuvorkommende Behandlung durchtreue, liebevolle Ergebenheit. Er war ein schüchterner, eher ängstlicher Hund,aber beileibe nicht feige. Wenn es klingelte oder er einen Eindringling imHaus vermutete, bellte er einen Augenblick lang aus vollem Hals, ehe er sich insein Körbchen oder auf Elfridas Schoß zurückzog.
Es dauerte eine Weile, bis sie einen Namen für ihn gefundenhatte, aber schließlich taufte sie ihn Horaz.
Einen Korb in der Hand und Horaz fest an die Leine genommen,schloss Elfrida die Haustür, ging den schmalen Gartenweg entlang, klappte dasTor hinter sich zu und machte sich auf den Weg zum Postamt und zum Kaufmann.
Es war ein trüber Oktobernachmittag, grau und wenigeinladend. Die letzten Herbstblätter flatterten von den Bäumen, einungewöhnlich scharfer Wind hatte auch die passioniertesten Gartenliebhabervertrieben, die Straße lag verlassen da und die Kinder waren noch in derSchule. Tief hängende Wolken trieben zwar zügig am Himmel, doch es wolltenicht aufklaren. Elfrida schritt kräftig aus, und Horaz trottete ergeben hinterihr her, denn er wusste, dass er um diesen einen täglichen Spaziergang nichtherumkam und gut daran tat, das Beste daraus zu machen.
So spazierten die beiden durch Dibton in Hampshire, wohinElfrida vor achtzehn Monaten gezogen war, als sie London ein für alle Malverlassen hatte, um ein neues Leben zu beginnen. Zuerst hatte sie sich einbisschen einsam gefühlt, aber jetzt konnte sie sich schon gar nicht mehrvorstellen, woanders zu leben. Von Zeit zu Zeit machten sich alte Bekannte ausihrer Theaterzeit unerschrocken auf die Reise von London, um ihr einen Besuchabzustatten, und schliefen auf dem unbequemen Sofa in dem winzigen Zimmer, dassie ihr Arbeitszimmer nannte und wo ihre Nähmaschine stand, auf der siekunstvolle, elegante Kissen für ein Einrichtungsgeschäft in der Sloane Streetnähte, um sich nebenbei ein bisschen Geld dazuzuverdienen.
In ihrer ganzen Fürsorglichkeit mussten diese Freunde sichdann bei ihrer Abfahrt vergewissern, ob Elfrida sich auch wohl fühlte. «Bereust du auch nichts, Elfrida ? Hast keine Sehnsucht nach London und bistwirklich glücklich hier?» Und sie hatte sie jedes Mal beruhigen können: «Natürlich.Dies ist mein friedlicher Alterssitz. Hier will ich meinen Lebensabendverbringen.»
Inzwischen fühlte sie sich wie zu Hause. Sie wusste, wer in demHaus hier und in dem Haus dort wohnte. Die Leute begrüßten sie mit Namen. «Guten Morgen, Elfrida », oder « Was für ein schöner Tag, Mrs. Phipps. » MancheBewohner pendelten zwischen Dibton und London hin und her. Sie ließen ihrenWagen morgens am Bahnhof stehen, nahmen den Zug in die Stadt und kehrten erstspätabends zurück. Andere hatten ihr ganzes Leben in den kleinenBacksteinhäusern verbracht, die schon ihren Eltern und Großeltern gehörthatten. Wieder andere waren neu zugezogen, wohnten in den Neubausiedlungen amDorfrand und arbeiteten in der Elektronikfabrik in der Nachbarstadt. Es waralles sehr anspruchslos und provinziell. Genau das, was Elfrida brauchte.
(...)
© Rowohlt Verlag GmbH
Übersetzung: Ursula Grawe
- Autor: Rosamunde Pilcher
- 2000, 768 Seiten, Maße: 15 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzung: Grawe, Ursula
- Übersetzer: Ursula Grawe
- Verlag: Wunderlich
- ISBN-10: 3805206844
- ISBN-13: 9783805206846
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