Warum ich fühle, was du fühlst
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Der Psychoneurologe Joachim Bauer über eine sensationelle Entdeckung der Neurowissenschaften, die unsere Wahrnehmung vom Menschen verändert!
Der Psychoneurologe Joachim Bauer über eine sensationelle Entdeckung der Neurowissenschaften, die unsere Wahrnehmung vom Menschen verändert!
Warum ich fühle, was du fühlst von Joachim Bauer
LESEPROBE
Resonanzphänomene des Alltags:
Warum ich fühle, was du fühlst
Meistensist es schon passiert, bevor wir beginnen konnten, darüber nachzudenken:Unwillkürlich hat man ein charmantes Lächeln erwidert. Es gibt Dinge, die einenMenschen schneller wehrlos machen können als alle Gewalt. Der Alltag ist vollvon spontanen Resonanzphänomenen dieser Art. Warum ist Lachen ansteckend? Warumgähnen wir, wenn andere gähnen? Und seltsam: Weshalb eigentlich öffnenErwachsene spontan den Mund, wenn sie ein Kleinkind mit dem Löffelchen füttern?Warum nehmen Gesprächspartner unwillkürlich eine ähnliche Sitzhaltung ein wieihr Gegenüber? Worauf also beruht die merkwürdige Tendenz der Spezies Mensch,sich auf den emotionalen oder körperlichen Zustand eines anderen Menschen einzuschwingen?
Resonanzphänomenewie die intuitive Übertragung von Gefühlen oder körperlichen Gesten spielennicht nur im privaten Umgang eine Rolle. In Politik und Wirtschaft dienen sieals Mittel zur Beeinflussung. Beim beruflichen Führungsverhalten können sieüber Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Obwohl sie für unser Erleben undZusammenleben eine kaum zu übersehende Bedeutung haben, bleiben Resonanz undIntuition vielen Zeitgenossen suspekt. Handelt es sich hier nicht umEinbildung, um Esoterik, jedenfalls um unwissenschaftliche Phänomene? Doch mitder Entdeckung der Spiegelnervenzellen wurde es mit einem Mal möglich, sieneurobiologisch zu verstehen. Und nun zeigt sich: In der Medizin sindSpiegelung und Resonanz eines der wirksamsten Mittel zur Heilung, in derPsychotherapie sind sie eine wesentliche Basis für den therapeutischen Prozess.Mehr noch: Ohne Spiegelnervenzellen gäbe es keine Intuition und keine Empathie.Spontanes Verstehen zwischen Menschen wäre unmöglich und das, was wir Vertrauennennen, undenkbar. Doch warum ist das so? Warum fühle ich, was du fühlst? Zuvermitteln, was dazu an Erkenntnissen vorliegt und die sich daraus ergebenden Konsequenzenzu reflektieren, soll der Inhalt dieses Buches sein.
SpontaneReaktionen als Forschungsobjekt im Labor
Zurück zumLächeln, im Vorübergehen aufgefangen: Es kann uns nicht nur selbst zum Lächelnverführen, sondern, scheinbar ohne jeden Grund, auch unsere Stimmung spontan aufhellen,es kann uns vielleicht sogar den ganzen Tag retten. Natürlich ist man dafürnicht immer empfänglich, vor allem wenn man sich kurz zuvor in eine entgegengesetzte Stimmung festgebissen hat. Manche habenallerdings für die spontane, unwillkürliche Erwiderung der Stimmung einesanderen Menschen grundsätzlich keine Antenne. Ihnen würde daher auch einzurückgeworfenes Lächeln im Vorbeigehen nie passieren. SeelischeGesundheitsstörungen können dabei eine Rolle spielen (siehe Kapitel 3 und 9). Hiersoll uns die große Mehrheit derjenigen Menschen interessieren, denen es nuneinmal passiert, dass sie Gesten immer wieder spontan erwidern, noch bevor siedarüber nachdenken konnten.
Bereits vorder Entdeckung der Spiegelneurone hatte man die Existenz unwillkürlicher,unbewusster Imitationsund Resonanzphänomenewissenschaftlich untersucht. Forscherkollegen, zum Beispiel Ulf Dimberg von der Universität in Uppsala/Schweden, habenTestpersonen auf einem Bildschirm Porträts menschlicher Gesichter gezeigt. Die Versuchspersonwird gebeten, möglichst neutral zu bleiben und keine Miene zu verziehen. Jededer Gesichtsaufnahmen wird fünfhundert Millisekunden lang, das ist exakt einehalbe Sekunde, eingeblendet. Dazwischen jeweils eine kurze Pause. DieTestperson ist an hauchdünne Kabel angeschlossen, die als eine Art Detektivfungieren: Sie registrieren die Aktivität der Gesichtsmuskeln. Wasinteressiert, sind kleinste Regungen zweier Muskeln, nämlich einerseits des Freundlichkeits-und Lächelmuskels der Wange1 und andererseits des Sorgen- undÄrgermuskels der Stirn2.
Nun läuftdie Fotoshow an. Da zunächst alle eingeblendeten Gesichter einen neutralenAusdruck zeigen, hat der Kandidat keine Mühe, der ihm gegebenen InstruktionFolge zu leisten, nämlich einen neutralen, unbeteiligten Ausdruck zu bewahren.Plötzlich zeigt eines der Porträts ein Lächeln. Obwohl das Bild nur fünfhundertMillisekunden zu sehen war und die Show gleich danach wieder mit neutralenGesichtern weitergeht, verrät das Messgerät, was passiert ist: Der Testpersonwar die Kontrolle über die eigenen Gesichtszüge kurz entglitten, sie hatgelächelt. Als das Spiel ein paar Minuten später wiederholt wird, diesmal mit einemärgerlich verstimmten Gesicht, passiert das gleiche Malheur: Obwohl derKandidat sich bemühte, neutral zu bleiben, hat einen Moment lang derÄrgermuskel über den Augen reagiert.
DasExperiment zeigt: Die Bereitschaft, spontan den emotionalen Ausdruck einesanderen Menschen zu spiegeln, mogelt sich offenbar mit Vergnügen an unsererbewussten Kontrolle vorbei. Doch es kommt noch schlimmer: Resonanzverhalten istsogar dann auslösbar, wenn das, worauf die Reaktion erfolgt, gar nicht bewusstwahrgenommen wurde. Es funktioniert dann manchmal sogar noch besser. Dieszeigte sich, als im oben dargestellten Versuch das Bild eines lächelndenMenschen nur so kurz eingeblendet wurde, dass die Testperson gar nicht bewusstbemerkte, was sie sah.
DieMethode, einem Menschen ein Bild derart kurz3 darzubieten, dass esnicht bewusst wahrgenommen werden kann, vom Gehirn aber trotzdem unbewusstregistriert wird, nennt man »subliminale Stimulation«.Sie ist wegen der Möglichkeit, Menschen ohne deren Wissen zu beeinflussen, inder Werbung verboten. Die Natur und unsere ganz normale Alltagsrealität haltensich jedoch nicht an Verbote dieser Art. Hier spielen unbemerkt aufgenommene Wahrnehmungeneine sehr wichtige Rolle. Die menschliche Psyche und ihr neurobiologischesInstrument, das Gehirn, nehmen, unter Umgehung unseres Bewusstseins, täglichunzählige Hinweise und Reize auf. Resonanz heißt: Diese Wahrnehmungen, egal obbewusst oder unbewusst, werden nicht nur in uns abgespeichert, sondern können auchReaktionen, Handlungsbereitschaften sowie see- lischeund körperliche Veränderungen in Gang setzen. Schuld daran sind diephänomenalen Leistungen der Spiegelneurone.
1 Musculus zygomaticus major.
2 Musculus corrugator supercilii.
3 Rund vierzig Millisekunden.
© HeyneVerlag
- Autor: Joachim Bauer
- 2006, Aktualisierte Neuausgabe, 208 Seiten, Maße: 11,8 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 3453615018
- ISBN-13: 9783453615014
- Erscheinungsdatum: 11.09.2006
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