Herzgesteuert
Roman
Juliane ist unabhängig und lebt als erfolgreiche Immobilienmaklerin glücklich allein. Männer stehen bei ihr auf der Gehaltliste, nicht auf der Matte. Bis sie Georg trifft, einen Obdachlosen. Eine turbulente Achterbahnfahrt der Gefühle beginnt.
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Produktinformationen zu „Herzgesteuert “
Juliane ist unabhängig und lebt als erfolgreiche Immobilienmaklerin glücklich allein. Männer stehen bei ihr auf der Gehaltliste, nicht auf der Matte. Bis sie Georg trifft, einen Obdachlosen. Eine turbulente Achterbahnfahrt der Gefühle beginnt.
Klappentext zu „Herzgesteuert “
Der Verstand denkt, die Liebe lenktJuliane ist unabhängig und lebt als erfolgreiche Immobilienmaklerin glücklich allein mit ihrer kleinen Tochter. Männer stehen bei ihr auf der Gehaltsliste, nicht auf der Matte. Bis sie Georg trifft. Einen Obdachlosen. Eine turbulente Achterbahnfahrt der Gefühle beginnt ...
Juliane Hempel, 36 Jahre, verkauft Luxusimmobilien und ist Spitze auf ihrem Gebiet. Kaum ein Millionär, den sie nicht in ihrer Kartei hat, kaum eine Liegenschaft in Traumlage, die nicht durch ihre Vermittlung an einen solventen Kunden geraten wäre. Umso befremdlicher ist für sie die Begegnung mit einem Obdachlosen, der es sich auf ihrer Lieblingsparkbank - und schlimmer noch - in den leer stehenden Villen gemütlich macht. Je leidenschaftlicher Juliane versucht, sich diesen Mann vom Hals zu schaffen, umso häufiger begegnen sie sich. Sie rast vor Wut, er amüsiert sich. Erst als sie Georgs Vorgeschichte erfährt, ändert sich Julianes Einstellung. Die Vernunft sagt ihr, sich nicht auf ihn einzulassen, das Herz sagt etwas anderes. Als er eines Tages unschuldig im Gefängnis landet, muss Juliane sich entscheiden.
Die spritzige Geschichte einer außergewöhnlichen Liebe - mit Verve, Tempo und viel Humor erzählt.
Der Verstand denkt, die Liebe lenkt Juliane ist unabhängig und lebt als erfolgreiche Immobilienmaklerin glücklich allein mit ihrer kleinen Tochter. Männer stehen bei ihr auf der Gehaltsliste, nicht auf der Matte. Bis sie Georg trifft. Einen Obdachlosen. Eine turbulente Achterbahnfahrt der Gefühle beginnt ...
Juliane Hempel, 36 Jahre, verkauft Luxusimmobilien und ist Spitze auf ihrem Gebiet. Kaum ein Millionär, den sie nicht in ihrer Kartei hat, kaum eine Liegenschaft in Traumlage, die nicht durch ihre Vermittlung an einen solventen Kunden geraten wäre. Umso befremdlicher ist für sie die Begegnung mit einem Obdachlosen, der es sich auf ihrer Lieblingsparkbank - und schlimmer noch - in den leer stehenden Villen gemütlich macht. Je leidenschaftlicher Juliane versucht, sich diesen Mann vom Hals zu schaffen, umso häufiger begegnen sie sich. Sie rast vor Wut, er amüsiert sich. Erst als sie Georgs Vorgeschichte erfährt, ändert sich Julianes Einstellung. Die Vernunft sagt ihr, sich nicht auf ihn einzulassen, das Herz sagt etwas anderes. Als er eines Tages unschuldig im Gefängnis landet, muss Juliane sich entscheiden.Die spritzige Geschichte einer außergewöhnlichen Liebe - mit Verve, Tempo und viel Humor erzählt.
Juliane Hempel, 36 Jahre, verkauft Luxusimmobilien und ist Spitze auf ihrem Gebiet. Kaum ein Millionär, den sie nicht in ihrer Kartei hat, kaum eine Liegenschaft in Traumlage, die nicht durch ihre Vermittlung an einen solventen Kunden geraten wäre. Umso befremdlicher ist für sie die Begegnung mit einem Obdachlosen, der es sich auf ihrer Lieblingsparkbank - und schlimmer noch - in den leer stehenden Villen gemütlich macht. Je leidenschaftlicher Juliane versucht, sich diesen Mann vom Hals zu schaffen, umso häufiger begegnen sie sich. Sie rast vor Wut, er amüsiert sich. Erst als sie Georgs Vorgeschichte erfährt, ändert sich Julianes Einstellung. Die Vernunft sagt ihr, sich nicht auf ihn einzulassen, das Herz sagt etwas anderes. Als er eines Tages unschuldig im Gefängnis landet, muss Juliane sich entscheiden.Die spritzige Geschichte einer außergewöhnlichen Liebe - mit Verve, Tempo und viel Humor erzählt.
Lese-Probe zu „Herzgesteuert “
Herzgesteuert von Hera Lind1
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Nebenan ist die Schlange viel kürzer. Die genervte Kassiererin schreit: »Kasse drei, bitte auch anstellen!«
Aber niemand will sich bei Kasse drei anstellen.
Ich auch nicht. Und ich kann auch sagen, warum: Das männliche ... Wesen, das da an Kasse drei steht, ist ein ... wie soll man so eine Kreatur beschreiben?
Vagabund. Clochard. Sandler. Und das ist noch nett ausgedrückt. Graue zerlumpte Fetzen hat er an, mehrere Schichten übereinander, vor Dreck starrende Strickhandschuhe, von denen die Fingerspitzen abgerissen sind, auf dem Kopf eine Wollmütze undefinierbarer Farbe und Form, der Mantel, den er trotz des relativ milden Wetters über seinen vielen Klamotten trägt, könnte auch ein Altkleidersack sein, und die Schuhe stammen wahrscheinlich aus den Überresten der Heilsarmee. Und wenn ich ganz genau hinsehe, glaube ich sogar zu bemerken, dass rechts vorne aus dem Loch eine grauschwarze Socke rausschaut. Oder ist das die große Zehe? Grauenvoll.
Und das in meinem Lieblingssupermarkt.
Dem mit der Delikatessen-Frischetheke.
Dass der sich hier reintraut!
Der Penner. Entschuldigung, dass ich das so krass sage.
Einer von der Sorte, die ihren Einkaufswagen gleich mitnehmen. Nach »Hause«.
Der Einkaufswagen ist ihr Zuhause. Unwillkürlich rümpfe ich die Nase. Was der da alles drin hat! Plastiktüten, die auch schon mal bessere Zeiten gesehen haben, Rucksäcke, Taschen, Beutel, vollgestopft bis zum Platzen. Überall hängen Fetzen heraus: Stofffetzen, Papierfetzen, Zeug, halt überflüssiger, dreckiger Kram.
Und dieser Mann - kann es sein, dass dieser merkwürdige Geruch, der mir schon die ganze Zeit in die Nase steigt, von ihm ausgeht? Und ich hatte noch gedacht, in der Gemüseabteilung sei ein Wirsing am Faulen.
Das ist ja widerlich!
Peinlich berührt versuche ich, woandershin zu schauen. Auf das Zeitschriftenregal, zum Beispiel. Auf den Titelblättern sind nur schöne strahlende Menschen zu sehen. Fernsehstars und Dancing Stars und Filmstars, und alle sind proper und gepflegt und nicht nur sauber, sondern rein.
Bis auf Britney Spears vielleicht. Die macht ja gerade ihre sensationelle zweite Weltkarriere als Struwwelliese. Das ist ja auch schon wieder schick, irgendwie. Jedenfalls verkauft es sich gut.
Die Arme. Und dann diese Entzugskliniken!
Meine Supermarktkassenschlange ist leider lang genug, dass ich mir das alles durchlesen kann. Ich seufze.
Wie gut, dass wir alle in so geordneten Verhältnissen leben! Wir Saubermänner und -frauen, wir! Na gut, ein paar Sorgen hat jeder. Vielleicht auch ein paar größere, wenn ich mir diesen Penner so anschaue ... Andererseits hat der wahrscheinlich überhaupt keine mehr. Sorgen, meine ich.
In meiner Schlange wird gedrängelt.
»Ja, geht denn da nichts weiter?«
»Warum machen die denn nicht noch eine Kasse auf?«
»Das sehen Sie doch!«, empört sich eine Dicke, deren Hutrand mir fast in die Augen sticht, als sie sich abrupt zu meinem Hintermann umdreht.
»Dieses verkommene Pack! Dass so was hier überhaupt reindarf!« »Tja, zu meiner Zeit wäre das nicht passiert«, grummelt der glatzköpfige Lodenträger hinter mir. »Da herrschte noch Zucht und Ordnung!«
»Genau!«, entrüstet sich die Dicke unter ihrem Federhut. »Zu Hitlers Zeiten wären die alle im Arbeitslager verschwunden!«
Na ja, das finde ich jetzt schon sehr krass.
Nicht dass ich was gegen Spießer hätte.
Oder gegen Penner.
Selbst gegen Britney Spears habe ich nichts.
Ich bin da wahnsinnig tolerant, hüben wie drüben.
Es muss solche geben und solche. Meine altkluge Halbschwester Christiane, die bei uns gegenüber wohnt, sagt immer, jeder soll nach seiner Fasson selig werden.
Aber jetzt fühle ich mich unwohl.
Mit meinem frischen, knusprigen Lieblingsbiobrot, das noch warm ist, und dem Vollwertaufstrich, den meine Tochter Fanny so mag, werde ich des Schlangestehens bald überdrüssig.
Meine Güte, ich hab's eilig! Nun macht doch hinne!
Heute ist sowieso nicht mein Tag. Ich könnte platzen vor Stress. Keinen einzigen Termin konnte ich pünktlich einhalten, mein Auto steht im Halteverbot, meine Tochter tobt wahrscheinlich vor der Schule, weil ich nicht wie versprochen um Punkt eins dastehen werde, und ich trete ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. In zehn Minuten ruft bestimmt der neue Kunde an und will sofort einen Besichtigungstermin für die Villa am Hang, die ich gestern in die Zeitung gesetzt habe! Ich bin Immobilienmaklerin. Das bedeutet, ich stehe ständig unter Strom, habe keine einzige freie Minute.
Schon überlege ich, ob es das frische Brot wert ist, hier meine kostbare Zeit zu verschwenden, ob ich es nicht irgendwo in die Ecke legen und von dannen eilen soll. Hastig greife ich nach meinem Handy und rufe meine Sekretärin an, die heimlich »Trockenpflaume Claudia« genannt wird.
»Claudia, ich bin's. Hör zu. Die Eigentumswohnung an der Hellbrunner Allee. Die muss unbedingt noch vor Anzeigenschluss in die Zeitung. Die wäre was für die Frau Dr. Stein. Schreib: Wunderschöne helle, lichtdurchflutete Penthousewohnung mit großer Sonnenterrasse und herrlichem Blick auf die umliegenden Berge, inmitten einer ruhigen Wohnsiedlung Nähe Hellbrunner Allee - hast du das? So, den integrierten Aufzug in die Fitnessetage, wie formulieren wir das? - Ach ja, und ruf bitte die Nachbarin von unten an und sag ihr, dass das Kinderfahrrad und der ganze Kram aus dem Treppenhaus verschwinden müssen, ja? Wir haben ab sofort Besichtigungen. Danke, lieb von dir, Bussi, baa baa!«
Wieder ein halber Schritt nach vorn. Mir hängt der Magen dermaßen in den Kniekehlen, dass ich am liebsten auf der Stelle in dieses ofenwarme Brot beißen würde.
»Aber heute bekommt so was auch noch Unterstützung von Vater Staat«, grollt der glatzköpfige Hirschhornknopf-Rentner dicht hinter mir, und der pompöse Hut vor mir nickt und zittert vor Empörung. Ich lehne mich ein bisschen zurück, aber da pralle ich auch schon mit dem selbstzufriedenen Lodenträger zusammen.
»Immer Geld in der Tasche«, stichelt der. »Betteln tun sie trotzdem. Mitten in der Fußgängerzone! Und den anständigen Bürger belästigen!«
Der federgeschmückte Hut vor mir kann gar nicht aufhören zu nicken.
»Und da gehen solche Vagabunden noch schick einkaufen!«, zischt die Dicke, die eine Menge Süßigkeiten in ihren Einkaufswagen geladen hat. »Natürlich nur Schnaps und Bier!« Sie rümpft die Nase und zeigt auf den Clochard, der soeben ein paar belegte Brote, eine Packung Vollmilch und eine Tageszeitung auf das Fließband legt. Ist das die FAZ? Kaum zu glauben. Bestimmt hat er die Zeitung nur aus dem Abfalleimer geholt und versteckt darin Schnaps und Drogen.
Seine Fingerspitzen, mit denen er nun ein paar Münzen abzählt, sind rau und verdreckt, und seine Nägel haben tiefschwarze Ränder.
Armer Kerl, irgendwie. Aber mein Problem ist er nicht. Zum Glück.
Während ich warte, kann ich schnell noch die Verkäuferin der Stadtwohnung am Neutor informieren, dass ich am Wochenende mit einem Interessenten komme. Sie soll BITTE diese schrecklichen Mülltonnen aus dem Eingang entfernen und, wenn es geht, auch die komischen Buddhafiguren, Räucherstäbchen und die künstlichen Blumen. Nicht alle Interessenten sind auf dem Esoteriktrip.
Je neutraler eine Wohnung präsentiert wird, desto höher sind meine Chancen, sie an den Mann zu bringen.
Danke, Bussi, baa baa.
Mein Blutzuckerspiegel ist im Keller. Bitte, so kommt doch in die Gänge! Ich bin doch nicht zum Vergnügen hier! Der Penner schickt sich an zu zahlen.
Die Kassiererin schiebt seine spärlichen Einkäufe mit spitzen Fingern über das Band und würdigt ihn keines Blickes: »Sieben Euro fünfundvierzig.«
Der Penner klaubt seine Habseligkeiten mit stoischer Gelassenheit zusammen und verstaut sie in seinem überladenen Einkaufswagen. Als hätte er alle Zeit der Welt, kramt er in den Tiefen seiner ausgefransten Manteltaschen und zählt ihr die Münzen hin.
Die Liegenschaft am Attersee. Fast vier Millionen Euro wollen die Besitzer dafür. Die werden sie nicht kriegen, denke ich, denn das Haus und der gesamte Park haben keine Abendsonne. Die Führung muss also unbedingt am Vormittag stattfinden. Trockenpflaume Claudia soll den Termin auf zehn Uhr legen. Ich schicke ihr hastig eine SMS.
Die Kassiererin nimmt die Münzen mit einer Geste des Ekels und lässt sie schnell in die Kasse fallen.
Dann steht sie eilig auf und schreitet von dannen, wahrscheinlich um sich die Hände zu waschen.
Der Penner schiebt seinen Hausrat zwei Meter weiter, bleibt im Eingangsbereich stehen und macht sich umständlich an seinem Hab und Gut zu schaffen. Jetzt schlägt er seelenruhig die FAZ auf und beginnt zu lesen. Wahrscheinlich die Immobilienseite, oder was!
Nein, das war zynisch, Juliane, rufe ich mich zur Ordnung. Jetzt könnte ich eigentlich schnell vor die leere Kasse ausscheren, und wenn die Kassiererin wiederkommt, bin ich die Erste.
Warum tue ich es dann nicht?!
»Eine Schande ist das. Eine Schande für unser Land! Viel zu gutmütig sind unsere Politiker«, mäkelt der Lodenmantel hinter mir, während die dicke Frau mit dem Federhut gar nicht aufhören kann, ihm bestätigend zuzunicken.
»Diese Landstreicher sollten alle im Steinbruch arbeiten! Alle selber schuld! Der ist doch noch jung! Hat doch gesunde Hände!«, schnaubt sie vor sich hin.
Ich trippele von einem Bein aufs andere und schaue unauffällig auf mein Handgelenk. Dieser Einkauf kostet mich über eine Viertelstunde Zeit. Nur weil Fanny diesen Aufstrich so mag, stehe ich jeden Mittag hier. Töchterlein ist nämlich auf dem Gesundheitstrip. Kein Fleisch, keine Wurst, nichts aus Chemie, das ganze alternative Programm. Und ich als Vollwertmutter (ich bemühe mich, Leute, ich BEMÜHE mich!) nehme das natürlich ernster als alle meine geschäftlichen Termine.
Nein, ein Uhr wird knapp, und den Besichtigungstermin mit dem neuen Kunden kann ich auch nicht wahrnehmen. Ich werde Stefan Stör schicken, meinen Mitarbeiter. Warum stehe ich eigentlich genau zwischen diesen beiden
grauenvollen Spießern und komme nicht vom Fleck? Weil ich auch nicht an der Pennerkasse stehen will. Darum.
Natürlich habe ich einen saftigen Strafzettel am Auto. Mein knallroter Kleinbus mit der Aufschrift »Immobilien Glücksgriff - Leben im Paradies« - ist stadtbekannt. Der blöde Polizist hätte mich auch verschonen können! Sechzig Euro! Teures Vollwertbrot! Verdammt! Heute ist einfach nicht mein Tag.
Es ging schon damit los, dass Fanny heute Morgen die Nummer ihres Fahrradschlosses nicht mehr einfallen wollte. Diese kleine Hexe! Arbeitet mit sämtlichen Tricks! Gestern Abend hatten wir beide noch gefunden - also besonders ich, aber sie hat es natürlich eingesehen -, dass es jetzt im Frühling gesund, preiswert und praktisch sei, wieder mit dem Fahrrad in die Schule zu fahren. Und gut für die Figur ist es auch, das hat sie voll eingesehen.
Natürlich hat sich Prinzessin Pubertät daran gewöhnt, jeden Morgen von der gestressten Mama bis vor das Schulportal gefahren zu werden. Trotz Stau und Smog. Wie alle zwölfjährigen Prinzessinnen, die dabei noch schnell die Schulaufgaben nachholen, während die berufstätige Mutter vor der roten Ampel ihre ersten Schweißausbrüche bekommt, weil sie um Viertel vor acht im Büro sein muss. Das ist doch das organisierte Chaos, Morgen für Morgen! Wenn jedes Kind laufen oder radeln würde, gäbe es kein Übergewicht und kein AufmerksamkeitsdefizitSyndrom und wie diese ganzen neumodischen Firlefanzkinderkrankheiten alle heißen.
O nein, meine altkluge Halbschwester Christiane wird nicht recht behalten.
Ich bin nicht inkonsequent und bequem. Ich habe eine klare Linie in der Kindererziehung. Und zwar erst recht, seit ich alleinerziehend bin! Ich nehme mir Zeit und bin für mein Kind da, aber ich verweichliche und verwöhne es nicht. Was angeordnet wird, das wird gemacht! Und zwar ohne Diskussion!
Fanny und ich haben also heute früh um kurz nach sieben - ja, im sonst so wundervollen Österreich beginnt die Schule um Viertel vor acht!! - im Stockdunkeln im Vorgarten vor dem dreifach verschlossenen Fahrrad gesessen, das wir aus dem Winterschlaf geholt hatten, und alles versucht.
Wirklich alles. Sämtliche vierstelligen Kombinationen. Die Uhr tickte unaufhaltsam weiter. Und alle dreißig Sekunden ging in der Garage das Licht aus. Ich habe geflucht und geschimpft und ihr gedroht, dass sie ab sofort zu Fuß geht, wenn ihr die verdammte Zahlenkombination nicht einfällt. Aber sie hat natürlich erreicht, was sie wollte: Am Ende habe ich sie mit dem Auto in die Schule gefahren. Wie ich das hasse! Dieser barbarische Brauch, kleine, unschuldige Kinder und deren noch viel unschuldigere (jawohl!!) Mütter zu nachtschlafender Zeit bei völliger Finsternis aus den warmen Federn zu jagen, nur damit um Viertel vor acht ein missmutiger Lehrer mit dem Unterricht beginnen kann, den sowieso niemand zur Kenntnis nimmt, da alle armen, kleinen, unschuldigen Kinderchen sich noch die Augen reiben und blass und verstört aus der Wäsche gucken, weil sie mit ihrem Traum noch gar nicht fertig waren!
Welcher Feldherr in römischen Zeiten auch immer mit diesem unkultivierten Unsinn angefangen hat: Man könnte doch mal wieder damit aufhören, jetzt, wo wir schon weit im 21. Jahrhundert sind!
Ich meine, wir haben doch auch sonst für alle möglichen Annehmlichkeiten gesorgt! Wir fahren mit dem Auto zum McDrive und essen mit den Fingern, wir haben alle einen Knopf im Ohr, damit wir unsere iPods und Mobilephones abhören können und nicht mehr mit unseren Mitmenschen sprechen müssen, wir verkrümeln uns aus dem wahren Leben in Computerspiele und seichte Fernsehserien, die wir längst mit der Wirklichkeit verwechseln, wir haben vorgeheizte Pantoffeln und schöne Eigenheime mit Spätsonne, wir haben alle Milchaufschäumgeräte, Wäschetrockner und spielend leicht zu bedienende Fernbedienungen, wir liegen auf unseren Terrassen oder amüsieren uns in einem Spaßbad oder ähnlich grauenvollen Einrichtungen.
Also! Warum beginnt die Schule nicht so gegen zehn? Mit einem gemeinsamen Frühstück im Sitzkreis? Dann kann so ein kleines, unschuldiges Wesen erst mal schön ausschlafen (die Mutter natürlich auch), und dann geht es gut gelaunt im Hellen in die Schule. Wo es - wenn es nach mir ginge - auch bis mindestens 17 Uhr bleibt. Nach Singen, Lernen, Turnen und Kakaotrinken kann es ja dann meinetwegen wiederkommen. Dann ist es satt, hat alles erledigt, und man könnte guten Gewissens den Abend einläuten. Jeder hätte seine Pflichten erledigt, keiner würde den anderen mit Hausaufgaben oder ähnlich ärgerlichen Dingen belästigen, man könnte zusammen kochen, essen und »Mensch ärgere Dich nicht« spielen und dann ohne größere Adrenalinschübe zu Bett gehen, um dort bis weit nach Sonnenaufgang zu verweilen.
Warum müssen Millionen von Kindern bereits mittags um eins wieder auf der Matte stehen? Hungrig und fordernd! Und übellaunig die Bücher und Hefte auf den Tisch werfen, mit den Worten: »Der Rottweiler hat uns wieder so irre viel aufgegeben, und du musst mir das alles erklären, weil ich sowieso wieder nichts verstanden habe. Außerdem interessiert es mich nicht die Bohne, warum die Latten eines Gartenzauns zueinander parallel im Abstand von 25 Zentimetern stehen müssen und wie viele Latten es dann sind, wenn der Garten 84 Quadratmeter groß ist!« Die Antwort darauf kann doch nur lauten: Kind, ich bin beschäftigt!
Ein Uhr mittags!
Wo berufstätige Mütter wie ich gerade mal warmgelaufen sind und sich mit Hingabe ihrer Arbeit widmen!
Ich für meinen Teil habe gegen ein Uhr mittags gerade mal die Büroarbeit und die meisten Anrufe erledigt und breche dann zu Besichtigungsterminen auf. Ganz einfach, weil da die Sonne in alle Fenster scheint.
Heute bin ich die führende Immobilienmaklerin der Stadt. Dafür habe ich auch jahrelang geschuftet und gerackert, aber jetzt läuft das Geschäft! Über 350 Immobilien rund um die Festspielstadt und im ganzen Salzkammergut sind mir zum Vermitteln anvertraut.
Ich verfüge über weltweite Kontakte zu kaufwilligen und verkauffreudigen Kunden, die alle keine Geldsorgen haben. Ich kenne Gott und die Welt, und mir macht mein Job wahnsinnig viel Spaß.
Kurz und schlecht, mir passt es wirklich gar nicht, dass ich Fanny heute um ein Uhr wieder abholen muss. Andererseits brauchen wir auch mal wieder richtig Zeit füreinander. Ich werde mir für den Rest des Tages freinehmen.
Zwanzig nach eins! Ich seufze abgrundtief. Mein Hirn arbeitet auf Hochtouren. Wenn ich jetzt Fanny abhole, dann schnell ins Ballett bringe, könnte ich noch zur Maniküre. Mal eben das Handy zücken und meine wasserstoffblonde Katharina anrufen, ob sie mich noch dazwischenschieben kann. Zumal heute Abend das Treffen für den Club der Unternehmerinnen ist, wo ich unbedingt hin muss. Ich bin da im Vorstand, und wir planen ein Charity-Golfturnier, für dessen Organisation ich zuständig bin. Ja, das Organisieren macht mir Spaß, es liegt mir sozusagen im Blut. Deswegen hasse ich es, wegen eines Penners, der alle Zeit der Welt hat, zwanzig Minuten lang in einer Supermarktschlange zu stehen. Der Kerl hat meinen straff organisierten Terminplan völlig durcheinandergebracht! Nicht, dass ich was gegen arme Menschen hätte, ganz im Gegenteil. Ich habe schon Charity gemacht, als andere Leute noch gar nicht wussten, wie man das schreibt.
Copyright © 2009 und Copyright © 2010 dieser Ausgabe by Diana Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Nebenan ist die Schlange viel kürzer. Die genervte Kassiererin schreit: »Kasse drei, bitte auch anstellen!«
Aber niemand will sich bei Kasse drei anstellen.
Ich auch nicht. Und ich kann auch sagen, warum: Das männliche ... Wesen, das da an Kasse drei steht, ist ein ... wie soll man so eine Kreatur beschreiben?
Vagabund. Clochard. Sandler. Und das ist noch nett ausgedrückt. Graue zerlumpte Fetzen hat er an, mehrere Schichten übereinander, vor Dreck starrende Strickhandschuhe, von denen die Fingerspitzen abgerissen sind, auf dem Kopf eine Wollmütze undefinierbarer Farbe und Form, der Mantel, den er trotz des relativ milden Wetters über seinen vielen Klamotten trägt, könnte auch ein Altkleidersack sein, und die Schuhe stammen wahrscheinlich aus den Überresten der Heilsarmee. Und wenn ich ganz genau hinsehe, glaube ich sogar zu bemerken, dass rechts vorne aus dem Loch eine grauschwarze Socke rausschaut. Oder ist das die große Zehe? Grauenvoll.
Und das in meinem Lieblingssupermarkt.
Dem mit der Delikatessen-Frischetheke.
Dass der sich hier reintraut!
Der Penner. Entschuldigung, dass ich das so krass sage.
Einer von der Sorte, die ihren Einkaufswagen gleich mitnehmen. Nach »Hause«.
Der Einkaufswagen ist ihr Zuhause. Unwillkürlich rümpfe ich die Nase. Was der da alles drin hat! Plastiktüten, die auch schon mal bessere Zeiten gesehen haben, Rucksäcke, Taschen, Beutel, vollgestopft bis zum Platzen. Überall hängen Fetzen heraus: Stofffetzen, Papierfetzen, Zeug, halt überflüssiger, dreckiger Kram.
Und dieser Mann - kann es sein, dass dieser merkwürdige Geruch, der mir schon die ganze Zeit in die Nase steigt, von ihm ausgeht? Und ich hatte noch gedacht, in der Gemüseabteilung sei ein Wirsing am Faulen.
Das ist ja widerlich!
Peinlich berührt versuche ich, woandershin zu schauen. Auf das Zeitschriftenregal, zum Beispiel. Auf den Titelblättern sind nur schöne strahlende Menschen zu sehen. Fernsehstars und Dancing Stars und Filmstars, und alle sind proper und gepflegt und nicht nur sauber, sondern rein.
Bis auf Britney Spears vielleicht. Die macht ja gerade ihre sensationelle zweite Weltkarriere als Struwwelliese. Das ist ja auch schon wieder schick, irgendwie. Jedenfalls verkauft es sich gut.
Die Arme. Und dann diese Entzugskliniken!
Meine Supermarktkassenschlange ist leider lang genug, dass ich mir das alles durchlesen kann. Ich seufze.
Wie gut, dass wir alle in so geordneten Verhältnissen leben! Wir Saubermänner und -frauen, wir! Na gut, ein paar Sorgen hat jeder. Vielleicht auch ein paar größere, wenn ich mir diesen Penner so anschaue ... Andererseits hat der wahrscheinlich überhaupt keine mehr. Sorgen, meine ich.
In meiner Schlange wird gedrängelt.
»Ja, geht denn da nichts weiter?«
»Warum machen die denn nicht noch eine Kasse auf?«
»Das sehen Sie doch!«, empört sich eine Dicke, deren Hutrand mir fast in die Augen sticht, als sie sich abrupt zu meinem Hintermann umdreht.
»Dieses verkommene Pack! Dass so was hier überhaupt reindarf!« »Tja, zu meiner Zeit wäre das nicht passiert«, grummelt der glatzköpfige Lodenträger hinter mir. »Da herrschte noch Zucht und Ordnung!«
»Genau!«, entrüstet sich die Dicke unter ihrem Federhut. »Zu Hitlers Zeiten wären die alle im Arbeitslager verschwunden!«
Na ja, das finde ich jetzt schon sehr krass.
Nicht dass ich was gegen Spießer hätte.
Oder gegen Penner.
Selbst gegen Britney Spears habe ich nichts.
Ich bin da wahnsinnig tolerant, hüben wie drüben.
Es muss solche geben und solche. Meine altkluge Halbschwester Christiane, die bei uns gegenüber wohnt, sagt immer, jeder soll nach seiner Fasson selig werden.
Aber jetzt fühle ich mich unwohl.
Mit meinem frischen, knusprigen Lieblingsbiobrot, das noch warm ist, und dem Vollwertaufstrich, den meine Tochter Fanny so mag, werde ich des Schlangestehens bald überdrüssig.
Meine Güte, ich hab's eilig! Nun macht doch hinne!
Heute ist sowieso nicht mein Tag. Ich könnte platzen vor Stress. Keinen einzigen Termin konnte ich pünktlich einhalten, mein Auto steht im Halteverbot, meine Tochter tobt wahrscheinlich vor der Schule, weil ich nicht wie versprochen um Punkt eins dastehen werde, und ich trete ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. In zehn Minuten ruft bestimmt der neue Kunde an und will sofort einen Besichtigungstermin für die Villa am Hang, die ich gestern in die Zeitung gesetzt habe! Ich bin Immobilienmaklerin. Das bedeutet, ich stehe ständig unter Strom, habe keine einzige freie Minute.
Schon überlege ich, ob es das frische Brot wert ist, hier meine kostbare Zeit zu verschwenden, ob ich es nicht irgendwo in die Ecke legen und von dannen eilen soll. Hastig greife ich nach meinem Handy und rufe meine Sekretärin an, die heimlich »Trockenpflaume Claudia« genannt wird.
»Claudia, ich bin's. Hör zu. Die Eigentumswohnung an der Hellbrunner Allee. Die muss unbedingt noch vor Anzeigenschluss in die Zeitung. Die wäre was für die Frau Dr. Stein. Schreib: Wunderschöne helle, lichtdurchflutete Penthousewohnung mit großer Sonnenterrasse und herrlichem Blick auf die umliegenden Berge, inmitten einer ruhigen Wohnsiedlung Nähe Hellbrunner Allee - hast du das? So, den integrierten Aufzug in die Fitnessetage, wie formulieren wir das? - Ach ja, und ruf bitte die Nachbarin von unten an und sag ihr, dass das Kinderfahrrad und der ganze Kram aus dem Treppenhaus verschwinden müssen, ja? Wir haben ab sofort Besichtigungen. Danke, lieb von dir, Bussi, baa baa!«
Wieder ein halber Schritt nach vorn. Mir hängt der Magen dermaßen in den Kniekehlen, dass ich am liebsten auf der Stelle in dieses ofenwarme Brot beißen würde.
»Aber heute bekommt so was auch noch Unterstützung von Vater Staat«, grollt der glatzköpfige Hirschhornknopf-Rentner dicht hinter mir, und der pompöse Hut vor mir nickt und zittert vor Empörung. Ich lehne mich ein bisschen zurück, aber da pralle ich auch schon mit dem selbstzufriedenen Lodenträger zusammen.
»Immer Geld in der Tasche«, stichelt der. »Betteln tun sie trotzdem. Mitten in der Fußgängerzone! Und den anständigen Bürger belästigen!«
Der federgeschmückte Hut vor mir kann gar nicht aufhören zu nicken.
»Und da gehen solche Vagabunden noch schick einkaufen!«, zischt die Dicke, die eine Menge Süßigkeiten in ihren Einkaufswagen geladen hat. »Natürlich nur Schnaps und Bier!« Sie rümpft die Nase und zeigt auf den Clochard, der soeben ein paar belegte Brote, eine Packung Vollmilch und eine Tageszeitung auf das Fließband legt. Ist das die FAZ? Kaum zu glauben. Bestimmt hat er die Zeitung nur aus dem Abfalleimer geholt und versteckt darin Schnaps und Drogen.
Seine Fingerspitzen, mit denen er nun ein paar Münzen abzählt, sind rau und verdreckt, und seine Nägel haben tiefschwarze Ränder.
Armer Kerl, irgendwie. Aber mein Problem ist er nicht. Zum Glück.
Während ich warte, kann ich schnell noch die Verkäuferin der Stadtwohnung am Neutor informieren, dass ich am Wochenende mit einem Interessenten komme. Sie soll BITTE diese schrecklichen Mülltonnen aus dem Eingang entfernen und, wenn es geht, auch die komischen Buddhafiguren, Räucherstäbchen und die künstlichen Blumen. Nicht alle Interessenten sind auf dem Esoteriktrip.
Je neutraler eine Wohnung präsentiert wird, desto höher sind meine Chancen, sie an den Mann zu bringen.
Danke, Bussi, baa baa.
Mein Blutzuckerspiegel ist im Keller. Bitte, so kommt doch in die Gänge! Ich bin doch nicht zum Vergnügen hier! Der Penner schickt sich an zu zahlen.
Die Kassiererin schiebt seine spärlichen Einkäufe mit spitzen Fingern über das Band und würdigt ihn keines Blickes: »Sieben Euro fünfundvierzig.«
Der Penner klaubt seine Habseligkeiten mit stoischer Gelassenheit zusammen und verstaut sie in seinem überladenen Einkaufswagen. Als hätte er alle Zeit der Welt, kramt er in den Tiefen seiner ausgefransten Manteltaschen und zählt ihr die Münzen hin.
Die Liegenschaft am Attersee. Fast vier Millionen Euro wollen die Besitzer dafür. Die werden sie nicht kriegen, denke ich, denn das Haus und der gesamte Park haben keine Abendsonne. Die Führung muss also unbedingt am Vormittag stattfinden. Trockenpflaume Claudia soll den Termin auf zehn Uhr legen. Ich schicke ihr hastig eine SMS.
Die Kassiererin nimmt die Münzen mit einer Geste des Ekels und lässt sie schnell in die Kasse fallen.
Dann steht sie eilig auf und schreitet von dannen, wahrscheinlich um sich die Hände zu waschen.
Der Penner schiebt seinen Hausrat zwei Meter weiter, bleibt im Eingangsbereich stehen und macht sich umständlich an seinem Hab und Gut zu schaffen. Jetzt schlägt er seelenruhig die FAZ auf und beginnt zu lesen. Wahrscheinlich die Immobilienseite, oder was!
Nein, das war zynisch, Juliane, rufe ich mich zur Ordnung. Jetzt könnte ich eigentlich schnell vor die leere Kasse ausscheren, und wenn die Kassiererin wiederkommt, bin ich die Erste.
Warum tue ich es dann nicht?!
»Eine Schande ist das. Eine Schande für unser Land! Viel zu gutmütig sind unsere Politiker«, mäkelt der Lodenmantel hinter mir, während die dicke Frau mit dem Federhut gar nicht aufhören kann, ihm bestätigend zuzunicken.
»Diese Landstreicher sollten alle im Steinbruch arbeiten! Alle selber schuld! Der ist doch noch jung! Hat doch gesunde Hände!«, schnaubt sie vor sich hin.
Ich trippele von einem Bein aufs andere und schaue unauffällig auf mein Handgelenk. Dieser Einkauf kostet mich über eine Viertelstunde Zeit. Nur weil Fanny diesen Aufstrich so mag, stehe ich jeden Mittag hier. Töchterlein ist nämlich auf dem Gesundheitstrip. Kein Fleisch, keine Wurst, nichts aus Chemie, das ganze alternative Programm. Und ich als Vollwertmutter (ich bemühe mich, Leute, ich BEMÜHE mich!) nehme das natürlich ernster als alle meine geschäftlichen Termine.
Nein, ein Uhr wird knapp, und den Besichtigungstermin mit dem neuen Kunden kann ich auch nicht wahrnehmen. Ich werde Stefan Stör schicken, meinen Mitarbeiter. Warum stehe ich eigentlich genau zwischen diesen beiden
grauenvollen Spießern und komme nicht vom Fleck? Weil ich auch nicht an der Pennerkasse stehen will. Darum.
Natürlich habe ich einen saftigen Strafzettel am Auto. Mein knallroter Kleinbus mit der Aufschrift »Immobilien Glücksgriff - Leben im Paradies« - ist stadtbekannt. Der blöde Polizist hätte mich auch verschonen können! Sechzig Euro! Teures Vollwertbrot! Verdammt! Heute ist einfach nicht mein Tag.
Es ging schon damit los, dass Fanny heute Morgen die Nummer ihres Fahrradschlosses nicht mehr einfallen wollte. Diese kleine Hexe! Arbeitet mit sämtlichen Tricks! Gestern Abend hatten wir beide noch gefunden - also besonders ich, aber sie hat es natürlich eingesehen -, dass es jetzt im Frühling gesund, preiswert und praktisch sei, wieder mit dem Fahrrad in die Schule zu fahren. Und gut für die Figur ist es auch, das hat sie voll eingesehen.
Natürlich hat sich Prinzessin Pubertät daran gewöhnt, jeden Morgen von der gestressten Mama bis vor das Schulportal gefahren zu werden. Trotz Stau und Smog. Wie alle zwölfjährigen Prinzessinnen, die dabei noch schnell die Schulaufgaben nachholen, während die berufstätige Mutter vor der roten Ampel ihre ersten Schweißausbrüche bekommt, weil sie um Viertel vor acht im Büro sein muss. Das ist doch das organisierte Chaos, Morgen für Morgen! Wenn jedes Kind laufen oder radeln würde, gäbe es kein Übergewicht und kein AufmerksamkeitsdefizitSyndrom und wie diese ganzen neumodischen Firlefanzkinderkrankheiten alle heißen.
O nein, meine altkluge Halbschwester Christiane wird nicht recht behalten.
Ich bin nicht inkonsequent und bequem. Ich habe eine klare Linie in der Kindererziehung. Und zwar erst recht, seit ich alleinerziehend bin! Ich nehme mir Zeit und bin für mein Kind da, aber ich verweichliche und verwöhne es nicht. Was angeordnet wird, das wird gemacht! Und zwar ohne Diskussion!
Fanny und ich haben also heute früh um kurz nach sieben - ja, im sonst so wundervollen Österreich beginnt die Schule um Viertel vor acht!! - im Stockdunkeln im Vorgarten vor dem dreifach verschlossenen Fahrrad gesessen, das wir aus dem Winterschlaf geholt hatten, und alles versucht.
Wirklich alles. Sämtliche vierstelligen Kombinationen. Die Uhr tickte unaufhaltsam weiter. Und alle dreißig Sekunden ging in der Garage das Licht aus. Ich habe geflucht und geschimpft und ihr gedroht, dass sie ab sofort zu Fuß geht, wenn ihr die verdammte Zahlenkombination nicht einfällt. Aber sie hat natürlich erreicht, was sie wollte: Am Ende habe ich sie mit dem Auto in die Schule gefahren. Wie ich das hasse! Dieser barbarische Brauch, kleine, unschuldige Kinder und deren noch viel unschuldigere (jawohl!!) Mütter zu nachtschlafender Zeit bei völliger Finsternis aus den warmen Federn zu jagen, nur damit um Viertel vor acht ein missmutiger Lehrer mit dem Unterricht beginnen kann, den sowieso niemand zur Kenntnis nimmt, da alle armen, kleinen, unschuldigen Kinderchen sich noch die Augen reiben und blass und verstört aus der Wäsche gucken, weil sie mit ihrem Traum noch gar nicht fertig waren!
Welcher Feldherr in römischen Zeiten auch immer mit diesem unkultivierten Unsinn angefangen hat: Man könnte doch mal wieder damit aufhören, jetzt, wo wir schon weit im 21. Jahrhundert sind!
Ich meine, wir haben doch auch sonst für alle möglichen Annehmlichkeiten gesorgt! Wir fahren mit dem Auto zum McDrive und essen mit den Fingern, wir haben alle einen Knopf im Ohr, damit wir unsere iPods und Mobilephones abhören können und nicht mehr mit unseren Mitmenschen sprechen müssen, wir verkrümeln uns aus dem wahren Leben in Computerspiele und seichte Fernsehserien, die wir längst mit der Wirklichkeit verwechseln, wir haben vorgeheizte Pantoffeln und schöne Eigenheime mit Spätsonne, wir haben alle Milchaufschäumgeräte, Wäschetrockner und spielend leicht zu bedienende Fernbedienungen, wir liegen auf unseren Terrassen oder amüsieren uns in einem Spaßbad oder ähnlich grauenvollen Einrichtungen.
Also! Warum beginnt die Schule nicht so gegen zehn? Mit einem gemeinsamen Frühstück im Sitzkreis? Dann kann so ein kleines, unschuldiges Wesen erst mal schön ausschlafen (die Mutter natürlich auch), und dann geht es gut gelaunt im Hellen in die Schule. Wo es - wenn es nach mir ginge - auch bis mindestens 17 Uhr bleibt. Nach Singen, Lernen, Turnen und Kakaotrinken kann es ja dann meinetwegen wiederkommen. Dann ist es satt, hat alles erledigt, und man könnte guten Gewissens den Abend einläuten. Jeder hätte seine Pflichten erledigt, keiner würde den anderen mit Hausaufgaben oder ähnlich ärgerlichen Dingen belästigen, man könnte zusammen kochen, essen und »Mensch ärgere Dich nicht« spielen und dann ohne größere Adrenalinschübe zu Bett gehen, um dort bis weit nach Sonnenaufgang zu verweilen.
Warum müssen Millionen von Kindern bereits mittags um eins wieder auf der Matte stehen? Hungrig und fordernd! Und übellaunig die Bücher und Hefte auf den Tisch werfen, mit den Worten: »Der Rottweiler hat uns wieder so irre viel aufgegeben, und du musst mir das alles erklären, weil ich sowieso wieder nichts verstanden habe. Außerdem interessiert es mich nicht die Bohne, warum die Latten eines Gartenzauns zueinander parallel im Abstand von 25 Zentimetern stehen müssen und wie viele Latten es dann sind, wenn der Garten 84 Quadratmeter groß ist!« Die Antwort darauf kann doch nur lauten: Kind, ich bin beschäftigt!
Ein Uhr mittags!
Wo berufstätige Mütter wie ich gerade mal warmgelaufen sind und sich mit Hingabe ihrer Arbeit widmen!
Ich für meinen Teil habe gegen ein Uhr mittags gerade mal die Büroarbeit und die meisten Anrufe erledigt und breche dann zu Besichtigungsterminen auf. Ganz einfach, weil da die Sonne in alle Fenster scheint.
Heute bin ich die führende Immobilienmaklerin der Stadt. Dafür habe ich auch jahrelang geschuftet und gerackert, aber jetzt läuft das Geschäft! Über 350 Immobilien rund um die Festspielstadt und im ganzen Salzkammergut sind mir zum Vermitteln anvertraut.
Ich verfüge über weltweite Kontakte zu kaufwilligen und verkauffreudigen Kunden, die alle keine Geldsorgen haben. Ich kenne Gott und die Welt, und mir macht mein Job wahnsinnig viel Spaß.
Kurz und schlecht, mir passt es wirklich gar nicht, dass ich Fanny heute um ein Uhr wieder abholen muss. Andererseits brauchen wir auch mal wieder richtig Zeit füreinander. Ich werde mir für den Rest des Tages freinehmen.
Zwanzig nach eins! Ich seufze abgrundtief. Mein Hirn arbeitet auf Hochtouren. Wenn ich jetzt Fanny abhole, dann schnell ins Ballett bringe, könnte ich noch zur Maniküre. Mal eben das Handy zücken und meine wasserstoffblonde Katharina anrufen, ob sie mich noch dazwischenschieben kann. Zumal heute Abend das Treffen für den Club der Unternehmerinnen ist, wo ich unbedingt hin muss. Ich bin da im Vorstand, und wir planen ein Charity-Golfturnier, für dessen Organisation ich zuständig bin. Ja, das Organisieren macht mir Spaß, es liegt mir sozusagen im Blut. Deswegen hasse ich es, wegen eines Penners, der alle Zeit der Welt hat, zwanzig Minuten lang in einer Supermarktschlange zu stehen. Der Kerl hat meinen straff organisierten Terminplan völlig durcheinandergebracht! Nicht, dass ich was gegen arme Menschen hätte, ganz im Gegenteil. Ich habe schon Charity gemacht, als andere Leute noch gar nicht wussten, wie man das schreibt.
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Autoren-Porträt von Hera Lind
Hera Lind studierte Germanistik, Musik und Theologie und war Sängerin, bevor sie mit ihren zahlreichen Romanen von " Die Champagner-Diät" bis "Männer sind wie Schuhe" sensationellen Erfolg hatte. Auch mit ihren Tatsachenromanen " Der Mann, der wirklich liebte", "Himmel und Hölle", "Wenn nur dein Lächeln bleibt" und "Gefangen in Afrika" eroberte sie wieder die SPIEGEL-Bestsellerliste. Hera Lind lebt mit ihrer Familie in Salzburg.
Bibliographische Angaben
- Autor: Hera Lind
- 2010, Erstmals im TB, 416 Seiten, Maße: 11,8 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Diana
- ISBN-10: 3453354842
- ISBN-13: 9783453354845
- Erscheinungsdatum: 03.08.2010
Rezension zu „Herzgesteuert “
"Eine romantische Liebeskomödie, wie nur Hera Lind sie schreiben kann."
Pressezitat
"'Herzgesteuert' erzählt eine außergewöhnliche Liebesgeschichte. Amors Pfeil vereint ausgerechnet eine Karrierefrau und einen Obdachlosen." Madonna (Wien)
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