Große Ärsche auf kleinen Stühlen
Eine Kindergartenmutter packt aus!
"Die einzig vernünftigen Menschen in einem Kindergarten sind die Kinder!" Bennis Mama weiß, wovon sie redet. Intrigen und Korruption, Mobbing und Machtspiele kommen nicht nur unter Managern vor - auch im Kindergarten herrschen üble...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Große Ärsche auf kleinen Stühlen “
"Die einzig vernünftigen Menschen in einem Kindergarten sind die Kinder!" Bennis Mama weiß, wovon sie redet. Intrigen und Korruption, Mobbing und Machtspiele kommen nicht nur unter Managern vor - auch im Kindergarten herrschen üble Zustände.
Ernstes komisch präsentiert.
Ernstes komisch präsentiert.
Klappentext zu „Große Ärsche auf kleinen Stühlen “
Wo Eltern sich so richtig austoben - aus dem Alltag einer unerschrockenen Kindergarten-Mutter»Elternabend oder Darmspiegelung? Vor die Wahl gestellt würde ich lieber zum Arzt gehen!«
Benni-Mama weiß, wovon sie spricht: Intrigen und Korruption, Mobbing und Machtspiele kommen nicht nur unter Managern vor. Wo Jungs- und Mädchenmütter, Erzieher der alten Schule und Kuschelpädagogen sich auf kleinen Stühlen zum Elternabend treffen, um einen Laternenumzug zu organisieren oder den biologisch korrekten Speiseplan zu erörtern, fliegen die Fetzen. Benni-Mama packt aus.
»Die einzig vernünftigen Menschen in einem Kindergarten sind die Kinder.«
Ein herrlich komisches Buch für alle Fans von »Frau Freitag« und den »Elternkrankheiten«.
Lese-Probe zu „Große Ärsche auf kleinen Stühlen “
Große Ärsche auf kleinen Stühlen von Benni-MamaElternabend
Tagesordnung:
1. Essenskonzept
2. Kita-Homepage
3. Verteilung der Elterndienste
4. Sonstiges
Elternabend oder Darmspiegelung? Vor die Wahl gestellt, würde ich lieber zum Arzt gehen. Aber ich habe keine Wahl. Elternabend im Kindergarten ist Pflicht. Und weil mir ohnehin nichts anderes übrigbleibt, versuche ich wenigstens, das Schauspiel zu genießen. Denn - um an die Sache mit der Darmspiegelung anzuknüpfen - beim Elternabend lassen endlich mal alle die Hosen runter und zeigen, wer sie wirklich sind. Da wird selbst die anständigste Mittelschichtsmutti zur keifenden Vollkornkriegerin, hier mutieren sonst bräsige Anzugdaddys zu geifernden Frischluft-Taliban.
Wer je an einem dieser Elternabende teilgenommen hat, der weiß: Die einzig vernünftigen Menschen in einem Kindergarten - das sind die Kinder!
Hier sitzen wir also alle auf den viel zu kleinen Stühlen, verstauen unsere Beine mühsam unter dem viel zu niedrigen Maltisch und nippen am Früchtetee.
»Kann es jetzt bitte mal losgehen? Ich muss morgen früh den ersten Flieger nach London nehmen«, ruft Theo- Mama und trommelt mit den Fingern. »Wer schreibt denn heute Protokoll?«
Mit theatralischem Seufzer meldet sich Therese-Mama, die immer alle Aufgaben übernimmt, die sonst niemand machen will, uns dafür aber mit gequältem »Na, einer muss es ja machen!«-Blick tyrannisiert.
... mehr
Tagesordnungspunkt eins, das Essenskonzept. Unser Lieblingsthema. Wie viel Rohkost braucht ein Kind, um zu einem leistungsfähigen und glücklichen Mitglied der Gesellschaft heranzuwachsen? Wie viel Fleisch? Ist vegetarische Küche nicht viel gesünder? Oder leiden die Kleinen dann an Eisenmangel? Gelten Fischstäbchen als Fisch? Dürfen die Kinder Süßes essen? Und falls nein, ist Apfelsaft trotzdem erlaubt? Vor allem aber: Wie viel Bio darf's denn sein?
Bio-Bärbel strahlt, denn das ist ihr Metier. Und natürlich kann es gar nicht genug Bio sein. Konsequent wurde auf ihr stetiges Drängen hin die tägliche Verpflegung des Nachwuchses im Kindergarten komplett auf Biokost umgestellt. Jetzt legt Bio-Bärbel noch mal nach: Ob wir uns nicht darauf einigen könnten, auch in den Lunchpaketen, die wir unseren Kindern für den Wandertag packen, ganz auf Weißmehlprodukte zu verzichten? Also bitte keine herkömmlichen Brötchen oder gar Croissants oder Brezeln mehr.
»Die Kinder brauchen Vollkorn, das ist ganz wichtig für die Kaumuskeln. Kann euch jeder Zahnarzt bestätigen!«
»Ich finde, die Kinder müssen viel mehr in alles einbezogen werden«, sagt Sheila-Mama in Richtung der beiden Erzieherinnen, die sich heute Abend extra ein bisschen schick gemacht haben, schließlich sind ja auch Väter anwesend. »Ihr könntet doch die Vollkornbrötchen für den Wandertag gleich selbst in der Kita backen. Und im Garten ein Gemüsebeet anlegen, damit die Kleinen lernen, dass der Broccoli nicht im Biomarkt wächst.«
»Ja klar, und lasst uns gleich noch ein paar Hühner und Ziegen anschaffen.« Erzieherin Petra blickt herausfordernd in die Runde.
Ironie ist nicht unbedingt Bio-Bärbels Stärke, sie ist gleich ganz begeistert von der Idee: »Petra hat recht, Kinder brauchen Fellkontakt. Fellkontakt ist ganz wichtig für die sensorische Wahrnehmung und die emotionale Entwicklung! «
»Dann kauf deinem Ole ein Meerschweinchen und nerv hier nicht rum!«, brummt iDad, während er auf seinem Smartphone rumwischt.
Wir stimmen ab per Handzeichen, alle Veränderungsvorschläge werden mehrheitlich abgelehnt. Erzieherin Petra, ohnehin eher im Discounter als im Biomarkt zu Hause, nickt zufrieden: »Und damit ihr's nur wisst: Der fair gehandelte Kaffee schmeckt so richtig scheiße, ich kaufe jetzt wieder die normale Aldi-Röstung. Irgendwo muss auch mal Schluss sein mit der Biodiktatur!«
Jetzt meldet sich Krümel-Mama, unsere blasse Essgestörte, die ständig friert. Sie wolle nur noch mal darum bitten, bei Geburtstagen keine herkömmlichen Kuchen und Muffins mitzubringen, weil doch ihr Krümel diese Laktoseintoleranz habe. »Es gibt ganz tolle vegane Backrezepte, ich backe auch immer mit Sojamilch, und den Unterschied merkt kein Mensch.«
»Glaubst DU!«, entfährt es Theo-Mama etwas zu laut, und sie erschrickt über diesen kurzen Kontrollverlust so sehr, dass sie in ihrem knappen Business-Kostüm fast vom Stühlchen fällt.
»Du hast doch noch nie irgendwas anderes hier beigetragen als Sarkasmus und billigen Fertigkuchen«, wimmert Krümel-Mama und zieht sich die Pulloverärmel über die knochigen Finger. Ein bisschen mehr Rücksicht wünsche sie sich und auch mehr vegane Gerichte im Speise- plan der Kinder. Das wäre ja nun nicht nur für Krümel das Beste.
»Keinen richtigen Geburtstagskuchen mehr, nur wegen Krümel? Ihr spinnt doch! Ihr verzichtet ja auch nicht wegen Harkan auf Schweinefleisch«, ruft Harkan-Mama.
»Na ja, aber das hat ja nun religiöse Gründe, und Krümel- Mama geht es um die Gesundheit, das kannst du doch nicht vergleichen«, sagt Bio-Bärbel.
»Harkan kommt immerhin in die Hölle, wenn er Schweinefleisch ist. Krümel bekommt nur Bauchweh«, werfe ich ein, und jetzt explodiert Bio-Bärbel:
»Ja, dann baut ihm doch gleich noch einen Gebets- raum, damit er sich Richtung Mekka werfen kann!«
Harkan-Mama lächelt still, die Väter gucken betreten in ihre Teetassen, Krümel-Mama schnieft.
»Vielleicht eine kurze Raucherpause, bevor wir weitermachen? «, schlägt Erzieherin Annabelle vor. Erleichtertes Aufseufzen in der Runde, wir ziehen unsere steifen Glieder unter dem Maltisch hervor und verschwinden vor die Tür. Eigentlich hätten wir heute noch ausdiskutieren müssen, wer jetzt endlich mal den Flur streicht. Und iDad sollte uns auf den neuesten Stand beim Projekt »Kita- Homepage« bringen. Aber nach der Raucherpause ist dann einfach niemand mehr aufgetaucht. Nur Therese- Mama hat noch ganz allein die Teetassen gespült, wie wir in ihrem Protokoll nachlesen konnten.
Benni-Mama???
Was ist das denn bitte für ein bescheuerter Name?
Das ist eine sehr gute Frage. Die Wahrheit ist: Ich habe keine Ahnung. Ich habe mir den Namen nicht ausgesucht - und es ist natürlich auch nicht mein richtiger. Ich habe einen ganz normalen Namen, ich habe auch einen ganz normalen Beruf. Es gibt eine Menge Dinge, die mich ausmachen: Ich bin eine verdammt gute Pokerspielerin, ich war mal Bassistin in einer mittelmäßig bekannten Punkband, ich kann einen Schweinebraten zaubern, der die Engel im Himmel zum Weinen bringt. Doch all das spielt überhaupt keine Rolle mehr, seit mein Sohn Ben geboren ist. Seitdem ist die Person, die ich einmal war, irgendwie verschwunden.
Daran bin ich sicher nicht ganz unschuldig. Es fing damit an, dass ich selbst von mir nur noch in der dritten Person sprach: »Ja, die Mama macht dir jetzt dein Fläschchen, Ben!« »Nicht weinen, Ben, die Mama ist ja da!« »Die Mama hat dich lieb, Ben!« »Verdammte Scheiße, Ben, es ist vier Uhr morgens. Die Mama will noch nicht aufstehen! «
Als schließlich mein Mann auch noch damit anfing, mich nur noch »die Mama« zu nennen, dämmerte mir, dass hier etwas gewaltig schieflief.
Ich bin sicher nicht Angelina Jolie, aber vor Bens Geburt hatte ich durchaus das Gefühl, draußen auf der Straße auch mal angesehen zu werden. Mit dem Schwangerschaftsbauch ging der Anteil männlicher Blicke gegen null, dafür schauten mich Frauen umso intensiver an. Mütter mit einem freundlich-mitleidigen »Du weißt ja gar nicht, worauf du dich da eingelassen hast, Schätzchen! «-Blick. Ältere Damen kamen und tätschelten meine Wampe und erzählten mit glasigen Augen von ihren Sturz- und Totgeburten.
Nachdem Ben auf der Welt war, wurde ich von niemandem mehr angesehen. Ich verschwand einfach hinter diesem unglaublichen Trumm von Kinderwagen, in dem ich mein wunderbares Kind durch die Gegend kutschierte. Alle Blicke galten nun ihm, dem süßen, blondgelockten Teufelsbraten.
»Ja, hat deine Mama dir gar kein Mützchen aufgesetzt? «, fragten jetzt die älteren Damen, andere Mütter versicherten sich mit einem kurzen Blick, ob ihre Kinder wohl auch besser angezogen sind als meins, Väter checkten unser Kinderwagenmodell ab. Nur mich checkte keiner ab, da hätte ich schon im schwarzen Ledermini und auf spielplatzuntauglichen Nuttenstiefeln durch die Innenstadt laufen müssen.
Na gut, ich verstehe ja, dass eine Frau mit Milchkotzflecken auf der Schulter und Augenringen bis zum Kinn kein sexy Anblick ist. Aber was ist eigentlich mit meinen inneren Werten? Meinem Repertoire an schmutzigen Witzen? Der Leidenschaft, mit der ich über Politik streiten kann? Zählt das denn plötzlich gar nicht mehr? Meine kinderlosen Freundinnen rollen gern mit den Augen und sagen, dass man mit Schwangeren und Müttern ja über nichts anderes mehr sprechen kann als über Babykacke. Aber die Wahrheit ist doch: Schwangere Frauen werden auch nichts anderes mehr gefragt als: »Wann ist es denn so weit?«, »Was wird es denn?« und: »Wie soll's denn heißen?«
Frischgebackene Babymütter kommen nicht zum Zeitunglesen und schlafen abends lang vor den Tagesthemen ein. Die Lösung des Nahostkonflikts scheint da erst mal weniger dringlich als die Lösung der Ein- und Durchschlafprobleme des geliebten Nachwuchses. Aber deswegen sind wir ja nicht alle gehirnamputiert!
Je größer Ben wurde, desto mehr sehnte ich mich nach Gesprächen, die sich nicht um Windeln und Pekip- Kurse drehten. Ich erkämpfte einen Kita-Platz für Ben (dazu gleich mehr!), um nach einem Jahr im Duzi- duzi-Land wieder arbeiten zu können. Jetzt würde ich eine berufstätige Mutter sein, dachte ich. Eine Frau mit Kind und Karriere, die ebenso über den Atomausstieg wie über musikalische Früherziehung würde reden können. Ich wollte endlich wieder ernst genommen werden.
Ich wollte wieder sichtbar sein.
Doch als ich am ersten Tag mit Ben im Kindergarten auftauchte, fasste mich die resolute Erzieherin Petra am Arm und sagte: »Ah, du bist also Benni-Mama. Kannste Nudelsalat machen? Der fehlt nämlich noch beim großen Bastelbasar nächste Woche.«
Seitdem bin ich Benni-Mama. Noch nicht einmal für einen korrekten Genitiv hat es gereicht. Mein echter Name spielt auch keine Rolle mehr. Job, Hobbys, Talente hin oder her: Solange Ben in den Kindergarten geht, kann ich nebenbei den Wirtschaftsnobelpreis gewinnen, einen Sommerhit komponieren oder den Klimawandel umdrehen - ich bin und bleibe in allererster Linie: seine Mama.
Copyright © S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main
Tagesordnungspunkt eins, das Essenskonzept. Unser Lieblingsthema. Wie viel Rohkost braucht ein Kind, um zu einem leistungsfähigen und glücklichen Mitglied der Gesellschaft heranzuwachsen? Wie viel Fleisch? Ist vegetarische Küche nicht viel gesünder? Oder leiden die Kleinen dann an Eisenmangel? Gelten Fischstäbchen als Fisch? Dürfen die Kinder Süßes essen? Und falls nein, ist Apfelsaft trotzdem erlaubt? Vor allem aber: Wie viel Bio darf's denn sein?
Bio-Bärbel strahlt, denn das ist ihr Metier. Und natürlich kann es gar nicht genug Bio sein. Konsequent wurde auf ihr stetiges Drängen hin die tägliche Verpflegung des Nachwuchses im Kindergarten komplett auf Biokost umgestellt. Jetzt legt Bio-Bärbel noch mal nach: Ob wir uns nicht darauf einigen könnten, auch in den Lunchpaketen, die wir unseren Kindern für den Wandertag packen, ganz auf Weißmehlprodukte zu verzichten? Also bitte keine herkömmlichen Brötchen oder gar Croissants oder Brezeln mehr.
»Die Kinder brauchen Vollkorn, das ist ganz wichtig für die Kaumuskeln. Kann euch jeder Zahnarzt bestätigen!«
»Ich finde, die Kinder müssen viel mehr in alles einbezogen werden«, sagt Sheila-Mama in Richtung der beiden Erzieherinnen, die sich heute Abend extra ein bisschen schick gemacht haben, schließlich sind ja auch Väter anwesend. »Ihr könntet doch die Vollkornbrötchen für den Wandertag gleich selbst in der Kita backen. Und im Garten ein Gemüsebeet anlegen, damit die Kleinen lernen, dass der Broccoli nicht im Biomarkt wächst.«
»Ja klar, und lasst uns gleich noch ein paar Hühner und Ziegen anschaffen.« Erzieherin Petra blickt herausfordernd in die Runde.
Ironie ist nicht unbedingt Bio-Bärbels Stärke, sie ist gleich ganz begeistert von der Idee: »Petra hat recht, Kinder brauchen Fellkontakt. Fellkontakt ist ganz wichtig für die sensorische Wahrnehmung und die emotionale Entwicklung! «
»Dann kauf deinem Ole ein Meerschweinchen und nerv hier nicht rum!«, brummt iDad, während er auf seinem Smartphone rumwischt.
Wir stimmen ab per Handzeichen, alle Veränderungsvorschläge werden mehrheitlich abgelehnt. Erzieherin Petra, ohnehin eher im Discounter als im Biomarkt zu Hause, nickt zufrieden: »Und damit ihr's nur wisst: Der fair gehandelte Kaffee schmeckt so richtig scheiße, ich kaufe jetzt wieder die normale Aldi-Röstung. Irgendwo muss auch mal Schluss sein mit der Biodiktatur!«
Jetzt meldet sich Krümel-Mama, unsere blasse Essgestörte, die ständig friert. Sie wolle nur noch mal darum bitten, bei Geburtstagen keine herkömmlichen Kuchen und Muffins mitzubringen, weil doch ihr Krümel diese Laktoseintoleranz habe. »Es gibt ganz tolle vegane Backrezepte, ich backe auch immer mit Sojamilch, und den Unterschied merkt kein Mensch.«
»Glaubst DU!«, entfährt es Theo-Mama etwas zu laut, und sie erschrickt über diesen kurzen Kontrollverlust so sehr, dass sie in ihrem knappen Business-Kostüm fast vom Stühlchen fällt.
»Du hast doch noch nie irgendwas anderes hier beigetragen als Sarkasmus und billigen Fertigkuchen«, wimmert Krümel-Mama und zieht sich die Pulloverärmel über die knochigen Finger. Ein bisschen mehr Rücksicht wünsche sie sich und auch mehr vegane Gerichte im Speise- plan der Kinder. Das wäre ja nun nicht nur für Krümel das Beste.
»Keinen richtigen Geburtstagskuchen mehr, nur wegen Krümel? Ihr spinnt doch! Ihr verzichtet ja auch nicht wegen Harkan auf Schweinefleisch«, ruft Harkan-Mama.
»Na ja, aber das hat ja nun religiöse Gründe, und Krümel- Mama geht es um die Gesundheit, das kannst du doch nicht vergleichen«, sagt Bio-Bärbel.
»Harkan kommt immerhin in die Hölle, wenn er Schweinefleisch ist. Krümel bekommt nur Bauchweh«, werfe ich ein, und jetzt explodiert Bio-Bärbel:
»Ja, dann baut ihm doch gleich noch einen Gebets- raum, damit er sich Richtung Mekka werfen kann!«
Harkan-Mama lächelt still, die Väter gucken betreten in ihre Teetassen, Krümel-Mama schnieft.
»Vielleicht eine kurze Raucherpause, bevor wir weitermachen? «, schlägt Erzieherin Annabelle vor. Erleichtertes Aufseufzen in der Runde, wir ziehen unsere steifen Glieder unter dem Maltisch hervor und verschwinden vor die Tür. Eigentlich hätten wir heute noch ausdiskutieren müssen, wer jetzt endlich mal den Flur streicht. Und iDad sollte uns auf den neuesten Stand beim Projekt »Kita- Homepage« bringen. Aber nach der Raucherpause ist dann einfach niemand mehr aufgetaucht. Nur Therese- Mama hat noch ganz allein die Teetassen gespült, wie wir in ihrem Protokoll nachlesen konnten.
Benni-Mama???
Was ist das denn bitte für ein bescheuerter Name?
Das ist eine sehr gute Frage. Die Wahrheit ist: Ich habe keine Ahnung. Ich habe mir den Namen nicht ausgesucht - und es ist natürlich auch nicht mein richtiger. Ich habe einen ganz normalen Namen, ich habe auch einen ganz normalen Beruf. Es gibt eine Menge Dinge, die mich ausmachen: Ich bin eine verdammt gute Pokerspielerin, ich war mal Bassistin in einer mittelmäßig bekannten Punkband, ich kann einen Schweinebraten zaubern, der die Engel im Himmel zum Weinen bringt. Doch all das spielt überhaupt keine Rolle mehr, seit mein Sohn Ben geboren ist. Seitdem ist die Person, die ich einmal war, irgendwie verschwunden.
Daran bin ich sicher nicht ganz unschuldig. Es fing damit an, dass ich selbst von mir nur noch in der dritten Person sprach: »Ja, die Mama macht dir jetzt dein Fläschchen, Ben!« »Nicht weinen, Ben, die Mama ist ja da!« »Die Mama hat dich lieb, Ben!« »Verdammte Scheiße, Ben, es ist vier Uhr morgens. Die Mama will noch nicht aufstehen! «
Als schließlich mein Mann auch noch damit anfing, mich nur noch »die Mama« zu nennen, dämmerte mir, dass hier etwas gewaltig schieflief.
Ich bin sicher nicht Angelina Jolie, aber vor Bens Geburt hatte ich durchaus das Gefühl, draußen auf der Straße auch mal angesehen zu werden. Mit dem Schwangerschaftsbauch ging der Anteil männlicher Blicke gegen null, dafür schauten mich Frauen umso intensiver an. Mütter mit einem freundlich-mitleidigen »Du weißt ja gar nicht, worauf du dich da eingelassen hast, Schätzchen! «-Blick. Ältere Damen kamen und tätschelten meine Wampe und erzählten mit glasigen Augen von ihren Sturz- und Totgeburten.
Nachdem Ben auf der Welt war, wurde ich von niemandem mehr angesehen. Ich verschwand einfach hinter diesem unglaublichen Trumm von Kinderwagen, in dem ich mein wunderbares Kind durch die Gegend kutschierte. Alle Blicke galten nun ihm, dem süßen, blondgelockten Teufelsbraten.
»Ja, hat deine Mama dir gar kein Mützchen aufgesetzt? «, fragten jetzt die älteren Damen, andere Mütter versicherten sich mit einem kurzen Blick, ob ihre Kinder wohl auch besser angezogen sind als meins, Väter checkten unser Kinderwagenmodell ab. Nur mich checkte keiner ab, da hätte ich schon im schwarzen Ledermini und auf spielplatzuntauglichen Nuttenstiefeln durch die Innenstadt laufen müssen.
Na gut, ich verstehe ja, dass eine Frau mit Milchkotzflecken auf der Schulter und Augenringen bis zum Kinn kein sexy Anblick ist. Aber was ist eigentlich mit meinen inneren Werten? Meinem Repertoire an schmutzigen Witzen? Der Leidenschaft, mit der ich über Politik streiten kann? Zählt das denn plötzlich gar nicht mehr? Meine kinderlosen Freundinnen rollen gern mit den Augen und sagen, dass man mit Schwangeren und Müttern ja über nichts anderes mehr sprechen kann als über Babykacke. Aber die Wahrheit ist doch: Schwangere Frauen werden auch nichts anderes mehr gefragt als: »Wann ist es denn so weit?«, »Was wird es denn?« und: »Wie soll's denn heißen?«
Frischgebackene Babymütter kommen nicht zum Zeitunglesen und schlafen abends lang vor den Tagesthemen ein. Die Lösung des Nahostkonflikts scheint da erst mal weniger dringlich als die Lösung der Ein- und Durchschlafprobleme des geliebten Nachwuchses. Aber deswegen sind wir ja nicht alle gehirnamputiert!
Je größer Ben wurde, desto mehr sehnte ich mich nach Gesprächen, die sich nicht um Windeln und Pekip- Kurse drehten. Ich erkämpfte einen Kita-Platz für Ben (dazu gleich mehr!), um nach einem Jahr im Duzi- duzi-Land wieder arbeiten zu können. Jetzt würde ich eine berufstätige Mutter sein, dachte ich. Eine Frau mit Kind und Karriere, die ebenso über den Atomausstieg wie über musikalische Früherziehung würde reden können. Ich wollte endlich wieder ernst genommen werden.
Ich wollte wieder sichtbar sein.
Doch als ich am ersten Tag mit Ben im Kindergarten auftauchte, fasste mich die resolute Erzieherin Petra am Arm und sagte: »Ah, du bist also Benni-Mama. Kannste Nudelsalat machen? Der fehlt nämlich noch beim großen Bastelbasar nächste Woche.«
Seitdem bin ich Benni-Mama. Noch nicht einmal für einen korrekten Genitiv hat es gereicht. Mein echter Name spielt auch keine Rolle mehr. Job, Hobbys, Talente hin oder her: Solange Ben in den Kindergarten geht, kann ich nebenbei den Wirtschaftsnobelpreis gewinnen, einen Sommerhit komponieren oder den Klimawandel umdrehen - ich bin und bleibe in allererster Linie: seine Mama.
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Autoren-Porträt von Benni-Mama
Seit sie Mutter eines Sohnes ist, hat sie keinen Namen mehr. Auch keinen Beruf und keine Hobbys. Sie ist nur noch »Benni-Mama«, also die Mutter von Ben. Zumindest für die anderen Eltern ... In ihrem eigenen Leben ist Benni-Mama freie Journalistin und Bestsellerautorin. Sie ist Mutter eines Erstklässlers, der gerade Lesen lernt. Auch deshalb schreibt sie unter Pseudonym.
Bibliographische Angaben
- Autor: Benni-Mama
- 2013, 256 Seiten, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: FISCHER Taschenbuch
- ISBN-10: 3596197163
- ISBN-13: 9783596197163
- Erscheinungsdatum: 08.10.2013
Rezension zu „Große Ärsche auf kleinen Stühlen “
Es gibt inzwischen viele Insider-Berichte aus der Arbeitswelt, aber kaum einer ist so bissig und satirisch gelungen wie 'Große Ärsche auf kleinen Stühlen'. Radio 91.2 Dortmund 20140119
Pressezitat
Es gibt inzwischen viele Insider-Berichte aus der Arbeitswelt, aber kaum einer ist so bissig und satirisch gelungen wie 'Große Ärsche auf kleinen Stühlen'. Radio 91.2 Dortmund 20140119
Kommentare zu "Große Ärsche auf kleinen Stühlen"
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