Gefühltes Wissen
"Im letzten Jahr war ich auch ständig kaputt, bin am liebsten einfach nur so rumgelegen. Weiß auch nicht, war halt so. Gibt so Jahre. Obwohl, manchmal war ich auch nicht kaputt, aber meistens hab ich mich dann einfach trotzdem hingelegt, weil ich...
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"Im letzten Jahr war ich auch ständig kaputt, bin am liebsten einfach nur so rumgelegen. Weiß auch nicht, war halt so. Gibt so Jahre. Obwohl, manchmal war ich auch nicht kaputt, aber meistens hab ich mich dann einfach trotzdem hingelegt, weil ich dachte: 'Ach, wennde erst mal liegst, kommt das Kaputtsein schon von ganz allein.' "
Horst Evers hat die seltene Gabe, am Küchentisch die große Welt zu finden. Auch sein neues Buch bezaubert wieder durch heitere Einblicke in den Alltag eines Großstädters, wobei die Heiterkeit bei Horst Evers eine ganz besondere Note hat: niedersächsische Bräsigkeit geadelt durch Berliner Wurstigkeit - sehr, sehr lustig!
"Im letzten Jahr war ich auch ständig kaputt, bin am liebsten einfach nur so rumgelegen. Weiß auch nicht, war halt so. Gibt so Jahre. Obwohl, manchmal war ich auch nicht kaputt, aber meistens hab ich mich dann einfach trotzdem hingelegt, weil ich dachte: 'Ach, wennde erst mal liegst, kommt das Kaputtsein schon von ganz allein.'"
"Horst Evers ist der Meister des Absurden im Alltäglichen - oder umgekehrt. Evers-Texte fangen meist ganz harmlos an, biegen dann aber um die Ecke, ohne dass man weiß, was dahinter auf einen wartet." (Frank Goosen)
Horst Evers hat die seltene Gabe, am Küchentisch die große Welt zu finden. Auch sein neues Buch bezaubert wieder durch heitere Einblicke in den Alltag eines Großstädters, wobei die Heiterkeit bei Horst Evers eine ganz besondere Note hat: niedersächsische Bräsigkeit geadelt durch Berliner Wurstigkeit - sehr, sehr lustig!
Gefühltes Wissen von Horst Evers
LESEPROBE
1
Wissenschaft, Forschung und anderer Aberglaube
Was anders ist
Wenn ich früher, nachts, vielleichtein wenig angetrunken und vielleicht auch in eigenartiger Stimmung nach Hause kam,habe ich in der Regel noch ein wenig auf den Fernseher eingeredet, den einenoder anderen Wäschehaufen beschimpft, in alkoholseliger Spendierlaune 2, 3Blumen bis an den Rand des Ertrinkens begossen und eventuell noch ein wenigobszöne Gesten vor dem Spiegel geübt. Dann bin ich aber auch irgendwanneingeschlafen und später auch ins Bett gegangen. Damit warsdann gut. Höchstens der Spiegel hat sich am nächsten Morgen gerächt. Das wardann oft nicht schön anzusehen, aber es blieb ja unter uns.
Wenn ich jedoch heutzutage, nachts,angetrunken, in eigen- artiger Stimmung nach Hause komme, kann ich noch mit derganzen Welt Kontakt aufnehmen. Und das ist nicht gut.
Ich kann bei Ebayeinen Trecker ersteigern, langjährige Freundschaften mit einer E-Mail beendenoder auch Fotos von seltenen Hautkrankheiten auf meine Homepage stellen. Natürlichkann ich auch arglosen Freunden kleine Lieder auf den Anrufbeantworter singen:«Hallihallo, was hältst du von dieser Liedidee? Lallla lala laaaa ... wir sind die lustigen ... lall la laaa ... und dann halt so weiter. Meinst du, die Ironie wirdklar?»
Und wenn ich wirklich noch sorichtig länger was von dieser Nacht haben will, kann ich auch der festenÜberzeugung sein, dass ich zwar ein bisschen angetrunken bin, aber des- halbdoch noch immer in der Lage, aber so was von, aber hallo dermaßen in der Lage,den Anrufbeantworter absolut seriös und vollständig, aber so richtig neu zubesprechen ... Die Stimme der Anruferin klang etwas unsicher. Sie sei sich nichtsicher, ob sie wirklich die richtige Nummer gewählt habe. Aus derAnrufbeantworteransage gehe das nicht ganz deutlich hervor. Jedenfalls würdesie gerne mal mit mir über die Fotos auf meiner Homepage sprechen. Ihr habesich der tiefere Sinn nicht erschlossen, aber vielleicht könne sie mir helfen.
Schaue auf die Homepage undscheitere gleichfalls beim Ver- such, einen Sinn zu ermitteln.
Im Fax liegt die Bestätigung füreinen Karibikfiug. Was will ich da denn? Na ja,wahrscheinlich ist mir letzte Nacht irgendwie kalt geworden. So weitverständlich. Höre dann die Anrufbeantworteransage ab:
«Ja, hallo ... ... hier ist ... hierist ... hier ist der Anschluss, hihi ... der Anschluss ... wieso rufen Sie an?Mal sagen ... jetzt ... nach dem ... ach, machen Se doch, wie Se wollen piep.»
Rufe die Frau zurück und erkläreihr, dass mein Cousin für ein paar Tage bei mir wohnt. Gestern hat er sich wohletwas zu sehr dem Berliner Nachtleben hingegeben und hier dann noch einigenUnfug veranstaltet. Werde ihm die Nummer weitergeben, glaube aber nicht, dasser sich helfen lassen wird. Er ist sehr dickköpfig.
Hinterher storniere ich denKaribikflug und gehe dann in die Küche. Sehe, dass mein Cousin offensichtlichin der Nacht auch noch versucht hat, alte Nudeln mit Sauce aufzubraten. DieSaucenspur führt vom Herd zum Tisch, wo die halb leere Pfanne steht. Meine, ander Anordnung der Nudeln in der Pfanne auch noch den Abdruck eines Gesichts zuerkennen. Gehe ins Bad und bekomme Gewissheit. Der Cousin hat auch nochversucht, sich zu waschen.
Will gerade den Anrufbeantworter neubesprechen, als das Telefon schon wieder klingelt. Mein Nachbar beschwert sich,ich hätte in der letzten Nacht im Treppenhaus eine halbe Stunde lang «Lalla la la laaa... wir sind die lustigen ... lala- laaaa ...»gesungen. Er glaubt nicht, dass der Song was taugt, und droht mir im ÜbrigenPrügel an. Erkläre ihm alles und lege auf.
Rufe dann meinen Cousin an undfrage, ob er nicht Lust hat, für ein paar Tage nach Berlin zu kommen. Ich zahleauch die Bahnfahrt. Er muss dafür nur behaupten, er sei schon seit drei Tagenhier, und ein kleines Liedchen lernen. Er ist skeptisch. LangwierigeVerhandlungen folgen ...
Man kann es drehen und wenden, wieman will, aber irgend- wie ist das Leben anders geworden. Nicht wirklichbesser, auch nicht wirklich schlechter, aber anders, anders schon.
© Rowohlt Verlag
Ach, der nette Herr Evers! Diesen Satz dürfte Horst Evers sicher schon oft gehört haben -
hat er doch lange als Eilzusteller bei der Post gearbeitet oder Briefkästen geleert. Davor
konnte man seine Bekanntschaft auch im Taxi machen, ihn als Nachhilfelehrer engagieren
oder sich von ihm als Meinungsforscher befragen lassen - das ganze schöne Programm der
Jobs, mit denen sich viele ihr Studium finanzieren. Evers, eigentlich Studienrat für Deutsch
und Sozialkunde, hat sich dann aber, wie schön, für das Schreiben, die „Sprach-Arbeit",
entschieden; seit 1993 ohne Netz und doppelten Boden als Briefträger ...
1990 gründete er mit Freunden die Vorlesebühne „Dr. Seltsams Frühschoppen", die heute
nur noch „Der Frühschoppen" heißt. Jeden Sonntag um 13 Uhr geht im Schlot (Chausseestr.
18, Berlin-Mitte) die Post ab. Bis 2008 war Evers auch als Vorleser, Sänger und
Lebensmitteldarsteller in einer weiteren Vorlesebühne aktiv, die sich das „Mittwochsfazit"
nannte. 2002 gab es dafür den „Deutschen Kabarettpreis", davor u. a. den „Salzburger Stier"
oder den „Prix Pantheon", danach den „Deutschen Kleinkunstpreis" (2008) oder den „Gaul
von Niedersachsen" (2010) und, nicht zu vergessen, den legendären Preis im „Theodor-
Adorno-Ähnlichkeitswettbewerb" (1996 gemeinsam mit Bov Bjerg).
Mehr als 20 Jahre ist der gebürtige Diepholzer, Jahrgang 1967, also nun schon auf der
Bühne unterwegs und erzählt, präsentiert, performt seine Geschichten; Geschichten aus
dem Leben, sehr komisch, sehr schräg und doch so normal wie eben der wahnsinnige Alltag
normal sein kann. Evers beobachtet genau und mit Herzenswärme - denn ohne die Liebe zu
den Menschen würde er nicht so gern und oft auf der Bühne stehen - und erfreut sich und
uns mit Onkels großem Bahnhof oder den Prognosen für das Jahr 2011. Da sollen in Berlin
richtige Happenings an S-Bahnhöfen abgegangen sein, weil ja bekanntlich die Berliner SBahn
ein echtes Zugproblem hat und die neue Hauptbeschäftigung in Berlin „Warten auf die
S-Bahn" ist. Grillpartys, DJs und Gäste aus ganz Deutschland wollen mitwarten mit den
Berlinern - andere Städte überlegen schon, auch ihre Züge kaputt zu machen, um etwas von
dem Wartehype abzukriegen ... Und irgendwo unter den Wartenden sitzt sicher Horst Evers,
der mit seiner Familie in Berlin lebt. Sitzt da und lauscht, beobachtet und notiert, lacht in sich
hinein oder laut heraus, bis er wieder viele neue schöne Geschichten daraus formt und
knetet und seinen Lesern/Zuhörern/Zusehern schenkt. Ach, der nette Herr Evers!
- Autor: Horst Evers
- 2007, 23. Aufl., 160 Seiten, Maße: 11,4 x 18,8 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Rowohlt TB.
- ISBN-10: 349924294X
- ISBN-13: 9783499242946
- Erscheinungsdatum: 20.03.2007
4 von 5 Sternen
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