Die Korallentaucherin
Roman. Deutsche Erstausgabe
Die Ökologin Jennifer Towse folgt ihrem ehrgeizigen Mann Blair widerwillig auf eine kleine Urlaubsinsel am Great Barrier Reef, wo dieser die Leitung eines Hotels übernehmen soll. Jennifer fürchtet das Meer, denn als kleines Mädchen...
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Taschenbuch
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Die Korallentaucherin “
Die Ökologin Jennifer Towse folgt ihrem ehrgeizigen Mann Blair widerwillig auf eine kleine Urlaubsinsel am Great Barrier Reef, wo dieser die Leitung eines Hotels übernehmen soll. Jennifer fürchtet das Meer, denn als kleines Mädchen musste sie miterleben, wie ihr Vater und ihr Bruder ertrunken sind. Bald nach ihrer Ankunft zeigt sich, dass Blair in üble Machenschaften um das Hotelmanagement verstrickt ist. Noch schwieriger wird die Situation, nachdem Jennifer feststellt, dass sie ein Kind erwartet und Blair eine Affäre mit einer Kollegin hat.
Sie steht vor der schwersten Krise ihres Lebens, als sie sich beherzt einer Gruppe von Meeresforschern anschließt, die Umweltsündern auf der Spur ist. Nach und nach findet Jennifer den Mut, sich von Blair zu trennen.
Sie steht vor der schwersten Krise ihres Lebens, als sie sich beherzt einer Gruppe von Meeresforschern anschließt, die Umweltsündern auf der Spur ist. Nach und nach findet Jennifer den Mut, sich von Blair zu trennen.
Klappentext zu „Die Korallentaucherin “
Die Ökologin Jennifer Towse folgt ihrem ehrgeizigen Mann Blair widerwillig auf eine kleine Urlaubsinsel am Great Barrier Reef, wo dieser die Leitung eines Hotels übernehmen soll. Jennifer fürchtet das Meer, denn als kleines Mädchen musste sie miterleben, wie ihr Vater und ihr Bruder ertrunken sind. Bald nach ihrer Ankunft zeigt sich, dass Blair in üble Machenschaften um das Hotelmanagement verstrickt ist. Noch schwieriger wird die Situation, nachdem Jennifer feststellt, dass sie ein Kind erwartet und Blair eine Affäre mit einer Kollegin hat ...Sie steht vor der schwersten Krise ihres Lebens, als sie sich beherzt einer Gruppe von Meeresforschern anschließt, die Umweltsündern auf der Spur ist. Nach und nach findet Jennifer den Mut, sich von Blair zu trennen.
Lese-Probe zu „Die Korallentaucherin “
Die Korallentaucherin von Di MorrisseyKapitel zwölf
Riff-Wanderung
Jennifer kroch aus dem Bett, als der winzige Wecker klingelte. Blair regte sich, wachte jedoch nicht auf. Es war dunkel. Drei Uhr morgens. Verrückt, dachte sie. Doch sie war wach und bereit für Isobels Pläne. Sie hatten sich am Strand vor der Terrassenbar verabredet. Es war kühl, und Jennifer trug ein Tank-Top unter ihrem T-Shirt, zog ihre Segeltuchschuhe an, griff nach der Taschenlampe und schlich auf Zehenspitzen nach draußen.
Ein Kreischen ertönte, gefolgt von Stöhnen und leisem Gefiederrauschen, als sie zwischen die Schatten der Sturmtaucher auf dem Weg trat. Weder sie noch Blair nahmen ihr nächtliches Balzen und Zanken wahr, obwohl es klang, als würden Babys getötet. Doch Jennifer fragte sich immer noch, warum sie ihre Löcher ausgerechnet mitten auf den Wegen anlegen mussten. Die Leitung der Ferienanlage legte Platten darüber, auf die »Vorsicht, Sturmtaucher-Nest« gestanzt war.
Jennifer schaltete die Taschenlampe aus, als sie die Hotelanlage erreicht hatte. In der schwachen Beleuchtung, die an Baumstämmen und am Weg entlang angebracht war, konnte sie genug sehen. Außerdem spendete der Mond ausreichend Licht, der hoch stand und den Himmel und das ruhige Meer schimmern ließ. Sie ging am Swimmingpool vorbei, dessen Wasser im Perlmutt-Licht glomm. Die Ebbe hatte einen weißen Streifen Sand zwischen der Korallenplatte und den schweren Steinen an der Ufermauer der Anlage freigelegt. Das Licht einer Taschenlampe lockte sie an, und vor dem silbrigen Wasser erkannte sie die kleine Gestalt Isobels. »Die Nacht ist ideal«, sagte Isobel leise. »Ich bin seit einer Stunde hier, und es gibt viel zu sehen.«
»Ach, ja? Aber es ist dunkel. Und alles sieht verlassen aus«, sagte Jennifer und ließ an Isobels Seite die Anlage hinter
... mehr
sich.
Zur Antwort blieb Isobel stehen, berührte Jennifers Arm und richtete den Strahl ihrer Taschenlampe auf den Sand.
»Da, siehst du die Bläschen und Buckel? Zeit der Fütterung; alle möglichen Tiere suchen hier Nahrung. Siehst du?« In der anderen Hand hielt sie einen Stock, mit dem sie etwas Sand zur Seite kratzte, um ein emsiges Weichtier und einen Ringelwurm freizulegen, die sich auf ihrer Suche nach Nahrung in den Sand eingruben. »Und schau mal hier … er kann sich nicht verstecken.« Der Umriss eines perfekten Seesterns zeichnete sich unter dem Sand ab. »Er nimmt Wasser auf und stößt es durch seine poröse Oberseite wieder aus.«
Sie leuchteten mit den Taschenlampen die seichten Tümpel aus, in denen kleine flinke glitzernde Fische von einem bedrohlichen dunklen Schatten verfolgt wurde. Plötzlich schlug er mit der Schwanzflosse und schoss mitten zwischen die Fische.
»Ein Riffhai. Klein und harmlos«, sagte Isobel.
Sie gingen weiter, lauschten und schwangen ihre Taschenlampe gleichzeitig in die entsprechende Richtung, wenn sie etwas hörten. Eine leichte Brise erhob sich und kräuselte das schimmernde Wasser. Isobel reckte die Nase in die Luft. »Die Dämmerung ist nahe. Ich kann es spüren. Die Temperatur verändert sich, Luft und Wasser regen sich, die Vögel wachen auf, diese Nachttiere huschen davon. Es ist die schönste Zeit des Tages.«
»Ich erinnere mich, wie ich damals auf unserer Farm früh aufwachte und dann im Bett lag«, sagte Jennifer. »Ich war noch klein und lauschte dem Vieh, dem Gesang der Vögel, ich hörte, wie mein Dad seine Stiefel anzog und durch den Flur stapfte, wie er Tee kochte. Mein Bruder und meine Mutter schliefen immer lange und ließen sich von Dad Tee und Toast servieren. Aber wir zwei tranken immer die erste Kanne voll gemeinsam, ganz leise in der Küche. Dann ging er seiner Arbeit nach, und ich saß im Bademantel draußen, wo der Tau verdunstete oder der Frost das Gras knirschen ließ. Wir hatten ein Plumpsklo außerhalb des Wohnhauses.
Ich setzte mich auf die Hintertreppe und sah zu, wie die Welt zum Leben erwachte. Wenn Dad zurückkam, kochte er noch einmal Tee und bereitete Toast zu und weckte die anderen. Ich glaube nicht, dass meine Mutter überhaupt von dieser stillen Zeit wusste, die Dad und ich gemeinsam hatten. Wir sprachen kaum, aber manchmal zeigte er mir etwas, oder er kam zurück und sagte: ›Molly hat ihr Kälbchen bekommen‹, oder etwas Ähnliches.«
»Wie schön«, flüsterte Isobel.
»Und am deutlichsten erinnere ich mich, abgesehen von dem Gefühl, dass diese Zeit mit meinem Vater – selbst wenn er auf der anderen Seite der Koppel arbeitete – etwas Besonderes war, daran, dass ich Dinge wahrnahm. Dad sagte, ich hätte ein großes Talent für Naturbeobachtungen. Und mir ist bewusst, dass ich das verloren habe. Nun ja, bis jetzt. Du öffnest mir aufs Neue die Augen.« Jennifer hielt inne. »Du und mein Dad, ihr hättet euch gemocht.« Obwohl mein Dad ein zugeknöpfter, unsicherer Mann war, der Angst vor meiner Mutter hatte. Stark und lebhaft und klug, wie du bist, Isobel, glaube ich, ihr beide hättet die gleiche Wellenlänge gehabt. »Jemand, der einem Kind die Augen für die Geheimnisse der Welt öffnet, ist ein besonderer Mensch. Er fehlt dir sehr?«
»Mein Vater? Ich habe ihn kaum gekannt, kann ihn als Person also nicht vermissen. Ich erinnere ihn nur als eine Präsenz, die von meiner Mutter herumgestoßen wurde. Mir fehlt die Vorstellung von ihm, von einer Vaterfigur. Vielleicht wäre er nicht ein Vater gewesen, wie ich ihn mir wünschte, aber ihn zumindest zu haben – und sei es nur im Schatten – ist besser, als die abhängige, besitzergreifende Frau, die mir geblieben ist – Mum und ich.«
»Glaubst du manchmal, dass das Fehlen eines männlichen Vorbilds deine Beziehungen zu Männern beeinflusst haben könnte?«
»Beziehungen?« Jennifer lachte hohl. »Ich habe nicht das Glück, auf eine Reihe gescheiterter Beziehungen zurückblicken zu können. Blair ist meine einzige.«
»Deine Mutter mag ihn? Wahrscheinlich ist sie froh, dass du nie unglücklich verliebt warst, oder?« »Isobel, meine Mutter wäre auch dann nicht zufrieden, wenn ich einen reizenden, gutaussehenden Kronprinz aus dem Märchenland heiraten würde. Keiner könnte in ihren Augen jemals gut genug für mich sein.«
»O je. Und freut sie sich auf das Baby?«
»Das weiß man nie. Sie kann nicht einfach sagen: ›Wie schön, herrlich, ich freue mich‹. Zuallererst lotet sie die negativen und organisatorischen Seiten aus. Ich weiß doch gar nicht, was da noch auf mich zukommt. Ich vermute, auf diese Weise will sie sich das Gefühl verschaffen, gebraucht zu werden.«
»Ja. Und du hast dein ganzes Leben darauf eingerichtet, dich ihren Bedürfnissen anzupassen oder unterzuordnen. Und was ist mit deinen?«, fragte Isobel. »Du kannst es nicht immer allen recht machen. Wie wär’s, wenn du dich mal um dich kümmern würdest?«
Frage jetzt bitte nicht, ob Blair fürsorglich ist. »Das tue ich jetzt. Gesundheit und so.«
Isobel berührte Jennifers Arm. »Weil du schwanger bist. Ich meine aber, im Allgemeinen, im Hinblick auf deine Bedürfnisse, psychisch, emotional und intellektuell. Nicht nur körperlich.«
Jennifer wusste keine Antwort. Es gab niemanden, der diese Bedürfnisse erfüllte. Vorsichtig sagte sie: »Ich schätze, ein bisschen von all dem bekomme ich von verschiedenen Menschen.« Isobel nickte. Schweigend gingen sie ein Stückchen weiter. Die Intimität der Nacht löste sich allmählich auf. Sie konnten inzwischen gut sehen und knipsten die Taschenlampen aus.
»Da, ein Stückchen weiter noch, da ist es, was ich dir zeigen will.« Isobel beschleunigte ihren Schritt, doch Jennifer sah nichts.
»Da sind ihre Spuren. Sie ist noch nicht zurückgekommen. « Sie deutete auf eine deutliche Spur, die vom Wasser aus den Strand hinaufführte. Für Jennifer sahen die Spuren aus wie die von Reifen mit einem sonderbaren Muster. Eine einzelne gerade Linie verlief genau in der Mitte. »Eine Schildkröte? Was ist diese Linie zwischen den Spuren?«
»Das hintere Ende des weiblichen Panzers, der im Sand schleift. Sie wird immer noch mit der Eiablage beschäftigt sein. Bleib nicht vor ihr stehen.«
Isobel folgte der Spur bis zum Ende des Strands, wo unter Rankgewächsen eine große Grube ausgehoben war. In ihrer Mitte legte eine riesige grüne Schildkröte ihre mehr als hundert Eier ab, eines nach dem anderen. Leise setzen sie sich seitlich hinter ihr in den Sand, voller Ehrfurcht angesichts der Konzentration und Anstrengung der alten Schildkröte.
Jennifer war gerührt, fühlte mit als werdende Mutter.
»Sie weint! Sieh mal, Tränen rollen über das ledrige alte Gesicht«, flüsterte sie.
»Nein, das ist ein Sekret, das das Austrocknen der Augen verhindert. Trotzdem glaube ich immer, dass es furchtbar anstrengend für sie ist. Diese Schildkröten sind hier geschlüpft, und sie schwimmen immense Strecken zurück zu ebendieser Stelle, um ihre Eier abzulegen, und dann sehen sie nie, wie ihre Jungen schlüpfen, ob sie überleben oder sterben. Nur etwa zwei Prozent überleben«, sagte Isobel.
»So viele Räuber«, seufzte Jennifer. »Ich komme mir so voyeuristisch vor. Macht es dir etwas aus, wenn wir jetzt gehen?«
»Ich weiß, wie du dich fühlst. Es stört mich auch immer, wenn Touristengruppen zusehen, plappern, fotografieren.«
Isobel stand auf. »Gehen wir den Strand entlang nach Coral Point. Wir können bei Gideon frühstücken.«
»Ob er schon auf den Beinen ist?«
»Wenn nicht, dann wecken wir ihn«, antwortete Isobel fröhlich.
Blair würde im Achteck springen, wenn ich ihn wecken und einen Frühstücksgast mitbringen würde. »Ich sterbe vor Hunger. Gute Idee.«
© Droemer Knaur Verlag
Übersetzung: Elisabeth Hartmann
Zur Antwort blieb Isobel stehen, berührte Jennifers Arm und richtete den Strahl ihrer Taschenlampe auf den Sand.
»Da, siehst du die Bläschen und Buckel? Zeit der Fütterung; alle möglichen Tiere suchen hier Nahrung. Siehst du?« In der anderen Hand hielt sie einen Stock, mit dem sie etwas Sand zur Seite kratzte, um ein emsiges Weichtier und einen Ringelwurm freizulegen, die sich auf ihrer Suche nach Nahrung in den Sand eingruben. »Und schau mal hier … er kann sich nicht verstecken.« Der Umriss eines perfekten Seesterns zeichnete sich unter dem Sand ab. »Er nimmt Wasser auf und stößt es durch seine poröse Oberseite wieder aus.«
Sie leuchteten mit den Taschenlampen die seichten Tümpel aus, in denen kleine flinke glitzernde Fische von einem bedrohlichen dunklen Schatten verfolgt wurde. Plötzlich schlug er mit der Schwanzflosse und schoss mitten zwischen die Fische.
»Ein Riffhai. Klein und harmlos«, sagte Isobel.
Sie gingen weiter, lauschten und schwangen ihre Taschenlampe gleichzeitig in die entsprechende Richtung, wenn sie etwas hörten. Eine leichte Brise erhob sich und kräuselte das schimmernde Wasser. Isobel reckte die Nase in die Luft. »Die Dämmerung ist nahe. Ich kann es spüren. Die Temperatur verändert sich, Luft und Wasser regen sich, die Vögel wachen auf, diese Nachttiere huschen davon. Es ist die schönste Zeit des Tages.«
»Ich erinnere mich, wie ich damals auf unserer Farm früh aufwachte und dann im Bett lag«, sagte Jennifer. »Ich war noch klein und lauschte dem Vieh, dem Gesang der Vögel, ich hörte, wie mein Dad seine Stiefel anzog und durch den Flur stapfte, wie er Tee kochte. Mein Bruder und meine Mutter schliefen immer lange und ließen sich von Dad Tee und Toast servieren. Aber wir zwei tranken immer die erste Kanne voll gemeinsam, ganz leise in der Küche. Dann ging er seiner Arbeit nach, und ich saß im Bademantel draußen, wo der Tau verdunstete oder der Frost das Gras knirschen ließ. Wir hatten ein Plumpsklo außerhalb des Wohnhauses.
Ich setzte mich auf die Hintertreppe und sah zu, wie die Welt zum Leben erwachte. Wenn Dad zurückkam, kochte er noch einmal Tee und bereitete Toast zu und weckte die anderen. Ich glaube nicht, dass meine Mutter überhaupt von dieser stillen Zeit wusste, die Dad und ich gemeinsam hatten. Wir sprachen kaum, aber manchmal zeigte er mir etwas, oder er kam zurück und sagte: ›Molly hat ihr Kälbchen bekommen‹, oder etwas Ähnliches.«
»Wie schön«, flüsterte Isobel.
»Und am deutlichsten erinnere ich mich, abgesehen von dem Gefühl, dass diese Zeit mit meinem Vater – selbst wenn er auf der anderen Seite der Koppel arbeitete – etwas Besonderes war, daran, dass ich Dinge wahrnahm. Dad sagte, ich hätte ein großes Talent für Naturbeobachtungen. Und mir ist bewusst, dass ich das verloren habe. Nun ja, bis jetzt. Du öffnest mir aufs Neue die Augen.« Jennifer hielt inne. »Du und mein Dad, ihr hättet euch gemocht.« Obwohl mein Dad ein zugeknöpfter, unsicherer Mann war, der Angst vor meiner Mutter hatte. Stark und lebhaft und klug, wie du bist, Isobel, glaube ich, ihr beide hättet die gleiche Wellenlänge gehabt. »Jemand, der einem Kind die Augen für die Geheimnisse der Welt öffnet, ist ein besonderer Mensch. Er fehlt dir sehr?«
»Mein Vater? Ich habe ihn kaum gekannt, kann ihn als Person also nicht vermissen. Ich erinnere ihn nur als eine Präsenz, die von meiner Mutter herumgestoßen wurde. Mir fehlt die Vorstellung von ihm, von einer Vaterfigur. Vielleicht wäre er nicht ein Vater gewesen, wie ich ihn mir wünschte, aber ihn zumindest zu haben – und sei es nur im Schatten – ist besser, als die abhängige, besitzergreifende Frau, die mir geblieben ist – Mum und ich.«
»Glaubst du manchmal, dass das Fehlen eines männlichen Vorbilds deine Beziehungen zu Männern beeinflusst haben könnte?«
»Beziehungen?« Jennifer lachte hohl. »Ich habe nicht das Glück, auf eine Reihe gescheiterter Beziehungen zurückblicken zu können. Blair ist meine einzige.«
»Deine Mutter mag ihn? Wahrscheinlich ist sie froh, dass du nie unglücklich verliebt warst, oder?« »Isobel, meine Mutter wäre auch dann nicht zufrieden, wenn ich einen reizenden, gutaussehenden Kronprinz aus dem Märchenland heiraten würde. Keiner könnte in ihren Augen jemals gut genug für mich sein.«
»O je. Und freut sie sich auf das Baby?«
»Das weiß man nie. Sie kann nicht einfach sagen: ›Wie schön, herrlich, ich freue mich‹. Zuallererst lotet sie die negativen und organisatorischen Seiten aus. Ich weiß doch gar nicht, was da noch auf mich zukommt. Ich vermute, auf diese Weise will sie sich das Gefühl verschaffen, gebraucht zu werden.«
»Ja. Und du hast dein ganzes Leben darauf eingerichtet, dich ihren Bedürfnissen anzupassen oder unterzuordnen. Und was ist mit deinen?«, fragte Isobel. »Du kannst es nicht immer allen recht machen. Wie wär’s, wenn du dich mal um dich kümmern würdest?«
Frage jetzt bitte nicht, ob Blair fürsorglich ist. »Das tue ich jetzt. Gesundheit und so.«
Isobel berührte Jennifers Arm. »Weil du schwanger bist. Ich meine aber, im Allgemeinen, im Hinblick auf deine Bedürfnisse, psychisch, emotional und intellektuell. Nicht nur körperlich.«
Jennifer wusste keine Antwort. Es gab niemanden, der diese Bedürfnisse erfüllte. Vorsichtig sagte sie: »Ich schätze, ein bisschen von all dem bekomme ich von verschiedenen Menschen.« Isobel nickte. Schweigend gingen sie ein Stückchen weiter. Die Intimität der Nacht löste sich allmählich auf. Sie konnten inzwischen gut sehen und knipsten die Taschenlampen aus.
»Da, ein Stückchen weiter noch, da ist es, was ich dir zeigen will.« Isobel beschleunigte ihren Schritt, doch Jennifer sah nichts.
»Da sind ihre Spuren. Sie ist noch nicht zurückgekommen. « Sie deutete auf eine deutliche Spur, die vom Wasser aus den Strand hinaufführte. Für Jennifer sahen die Spuren aus wie die von Reifen mit einem sonderbaren Muster. Eine einzelne gerade Linie verlief genau in der Mitte. »Eine Schildkröte? Was ist diese Linie zwischen den Spuren?«
»Das hintere Ende des weiblichen Panzers, der im Sand schleift. Sie wird immer noch mit der Eiablage beschäftigt sein. Bleib nicht vor ihr stehen.«
Isobel folgte der Spur bis zum Ende des Strands, wo unter Rankgewächsen eine große Grube ausgehoben war. In ihrer Mitte legte eine riesige grüne Schildkröte ihre mehr als hundert Eier ab, eines nach dem anderen. Leise setzen sie sich seitlich hinter ihr in den Sand, voller Ehrfurcht angesichts der Konzentration und Anstrengung der alten Schildkröte.
Jennifer war gerührt, fühlte mit als werdende Mutter.
»Sie weint! Sieh mal, Tränen rollen über das ledrige alte Gesicht«, flüsterte sie.
»Nein, das ist ein Sekret, das das Austrocknen der Augen verhindert. Trotzdem glaube ich immer, dass es furchtbar anstrengend für sie ist. Diese Schildkröten sind hier geschlüpft, und sie schwimmen immense Strecken zurück zu ebendieser Stelle, um ihre Eier abzulegen, und dann sehen sie nie, wie ihre Jungen schlüpfen, ob sie überleben oder sterben. Nur etwa zwei Prozent überleben«, sagte Isobel.
»So viele Räuber«, seufzte Jennifer. »Ich komme mir so voyeuristisch vor. Macht es dir etwas aus, wenn wir jetzt gehen?«
»Ich weiß, wie du dich fühlst. Es stört mich auch immer, wenn Touristengruppen zusehen, plappern, fotografieren.«
Isobel stand auf. »Gehen wir den Strand entlang nach Coral Point. Wir können bei Gideon frühstücken.«
»Ob er schon auf den Beinen ist?«
»Wenn nicht, dann wecken wir ihn«, antwortete Isobel fröhlich.
Blair würde im Achteck springen, wenn ich ihn wecken und einen Frühstücksgast mitbringen würde. »Ich sterbe vor Hunger. Gute Idee.«
© Droemer Knaur Verlag
Übersetzung: Elisabeth Hartmann
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Autoren-Porträt von Di Morrissey
Di Morrissey ist die erfolgreichste Autorin Australiens. Als Journalistin arbeitete sie für Frauenmagazine, Radio und Fernsehen, schrieb Drehbücher und Theaterstücke und wirkte an zahlreichen TV-Produktionen mit. Sie lebt heute auf einer Farm in Byron Bay, New South Wales.
Bibliographische Angaben
- Autor: Di Morrissey
- 2009, 601 Seiten, Maße: 11,5 x 18 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Elisabeth Hartmann
- Verlag: Droemer/Knaur
- ISBN-10: 3426500663
- ISBN-13: 9783426500668
- Erscheinungsdatum: 22.11.2008
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