Das Gesetz
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Inez Graneys Sohn Raymond sitzt seit 11 Jahren im Todestrakt. Inez und seine Brüder besuchen ihn häufig. So auch an diesem besonderen Tag, an dem Raymond hingerichtet wird.
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Produktinformationen zu „Das Gesetz “
Inez Graneys Sohn Raymond sitzt seit 11 Jahren im Todestrakt. Inez und seine Brüder besuchen ihn häufig. So auch an diesem besonderen Tag, an dem Raymond hingerichtet wird.
Lese-Probe zu „Das Gesetz “
Das Gesetz von John GrishamBLUTSBRÜDER
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ALS SICH DIE NACHRICHT von Baileys Unfall in der ländlichen Siedlung Box Hill herumgesprochen hatte, gab es bereits mehrere Versionen. Ein Mitarbeiter der Baufirma hatte seine Mutter angerufen und berichtet, dass Bailey beim Einsturz eines Gerüstes in der Innenstadt von Memphis verletzt worden sei, dass er operiert werde, dass sein Zustand aber stabil und nicht lebensbedrohlich sei. Baileys Mutter, mit über zweihundert Kilo Körpergewicht krankhaft fettleibig und leicht erregbar, fing angesichts dieser Nachricht hysterisch an zu schreien, wodurch ihr ein paar Fakten entgingen. Sie rief Freunde und Nachbarn an, um ihnen die tragische Geschichte zu erzählen, und jedes Mal variierte sie Details oder erfand etwas dazu. Da sie es versäumt hatte, sich die Telefonnummer des Firmenmitarbeiters zu notieren, gab es keine Möglichkeit, die Gerüchte, die sich wie ein Lauffeuer verbreiteten, auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen.
Einer von Baileys Kollegen, der ebenfalls aus Ford County stammte, rief seine Freundin in Box Hill an und gab eine etwas andere Version der Ereignisse durch: Bailey sei von einem Bulldozer überfahren worden, direkt neben dem Gerüst, und er sei so gut wie tot. Die Ärzte bemühten sich, aber es sehe düster für ihn aus.
Dann rief jemand aus der Verwaltung des Krankenhauses in Memphis bei Bailey zu Hause an und wollte dessen Mutter sprechen. Man sagte ihm, dass sie im Bett liege und zu erregt sei, um zu sprechen, und dass sie deshalb nicht ans Telefon kommen könne. Die Nachbarin, die den Anruf entgegennahm, versuchte, dem Verwaltungsangestellten weitere Einzelheiten zu entlocken, bekam aber nicht viel aus ihm heraus. Auf der Baustelle sei irgendetwas eingestürzt, vielleicht ein Graben, in dem der junge Mann gearbeitet habe, oder so etwas in der Art. Ja, er werde operiert, und das Krankenhaus benötige ein paar Angaben zu seiner Person.
In dem kleinen Backsteinhäuschen von Baileys Mutter herrschte bald reges Gedränge. Am späten Nachmittag waren die ersten Besucher eingetroffen: Freunde, Verwandte und ein paar Pastoren aus den zahlreichen kleinen Kirchengemeinden des Ortes. Die Frauen versammelten sich in Küche und Wohnzimmer und tratschten, während immer wieder das Telefon klingelte, die Männer standen draußen und rauchten. Aufläufe und Kuchen tauchten auf.
Da man nichts zu tun hatte und wenig über Baileys Verletzungen wusste, stürzte man sich auf jeden noch so kleinen Hinweis, analysierte und zerpflückte ihn, um ihn dann an die Frauen im Haus beziehungsweise die Männer draußen weiterzugeben: Ein Bein sei zerquetscht und müsse vermutlich amputiert werden. Bailey habe ein schweres Schädel-Hirn-Trauma erlitten. Er sei mit dem Gerüst vier Stockwerke hinabgestürzt, vielleicht auch acht. Sein Brustkorb sei zerschmettert worden. Manche der Theorien wurden spontan entwickelt. Hier und da erkundigte sich jemand mit Grabesmiene gar nach der Beerdigung.
Bailey war neunzehn und hatte in seinem kurzen Leben noch nie so viele Freunde und Bewunderer gehabt. Je weiter die Zeit voranschritt, desto mehr liebte ihn die versammelte Gemeinde. Ein guter Junge sei er, hieß es, ein viel besserer Mensch als sein nichtsnutziger Vater, den seit Jahren niemand gesehen hatte.
Baileys Exfreundin erschien und stand bald im Mittelpunkt des Interesses. Sie war aufgeregt und durcheinander und fing immer wieder an zu weinen, vor allem wenn sie von ihrem geliebten Bailey sprach. Als indes die Mutter im Schlafzimmer von ihrer Anwesenheit erfuhr, ließ sie sie vor die Tür setzen und nannte sie eine kleine Schlampe. Die kleine Schlampe gesellte sich zu den Männern draußen, rauchte und flirtete mit ihnen. Irgendwann verabschiedete sie sich mit dem Schwur, dass sie jetzt nach Memphis fahren werde, um ihren Bailey zu besuchen.
Der Cousin einer Nachbarin, der in Memphis lebte, erklärte sich widerstrebend bereit, das Krankenhaus aufzusuchen, um Erkundigungen einzuholen. Sein erster Anruf brachte die Nachricht, dass der junge Mann tatsächlich wegen unterschiedlicher Verletzungen operiert werde, sein Zustand aber offenbar stabil sei. Er habe allerdings viel Blut verloren. Beim zweiten Anruf korrigierte der Cousin ein paar Details zum Unfall. Er habe mit dem Vorarbeiter gesprochen. Bailey sei verletzt worden, als ein Bulldozer das Gerüst gerammt und zum Einstürzen gebracht habe. Dabei sei der arme Junge fünf Meter tief in einen Graben gefallen. Der Bautrupp arbeite an einem sechsstöckigen Bürogebäude in Memphis, Bailey sei dort als Maurergehilfe tätig. Das Krankenhaus lasse noch mindestens vierundzwanzig Stunden keine Besuche zu, aber Blutspenden würden benötigt.
Bailey ein Maurergehilfe? Seine Mutter hatte sich damit gebrüstet, dass er rasch befördert worden und inzwischen stellvertretender Vorarbeiter sei. Doch unter den gegebenen Umständen kam es niemandem in den Sinn, sie auf diese Unstimmigkeit anzusprechen.
Am Abend stand ein Mann im Anzug vor der Tür und stellte sich als eine Art Ermittler vor. Er wurde an einen Onkel verwiesen, den jüngsten Bruder von Baileys Mutter, und bei einem Gespräch unter vier Augen im Garten zückte er die Visitenkarte eines Anwaltsbüros in Clanton. »Die beste Kanzlei im ganzen County«, sagte er. »Wir arbeiten bereits an dem Fall.«
Der Onkel war beeindruckt. Er versprach, einen weiten Bogen um andere Anwälte zu machen - »die versuchen doch nur, die Leute abzuzocken« - und Schadensregulierer zum Teufel zu schicken, falls sich welche meldeten.
Irgendwann kam die Idee auf, nach Memphis zu fahren. Es waren nur zwei Autostunden bis dorthin, aber es hätten ebenso gut fünf sein können. Wer in Box Hill davon sprach, in die Stadt zu fahren, meinte damit Tupelo mit seinen fünfzigtausend Einwohnern. Memphis lag in einem anderen Bundesstaat, in einer anderen Welt, außerdem grassierte dort die Kriminalität. Die Mordrate war ebenso hoch wie in Detroit. Man sah sich das Gemetzel jeden Abend auf Channel 5 an.
Der Zustand von Baileys Mutter verschlechterte sich, sie war auf keinen Fall in der Lage zu fahren, geschweige denn Blut zu spenden. Baileys Schwester lebte in Clan-ton, aber sie konnte ihre Kinder nicht allein lassen. Morgen war Freitag, ein Arbeitstag, und man war sich einig, dass eine Fahrt nach Memphis und zurück, mit Blutspende und allem, viele Stunden dauern würde. Wann die Spender zurückkämen, ließ sich also nicht abschätzen.
Durch einen weiteren Anruf aus Memphis erfuhr man, dass der Junge nun operiert sei, sich ans Leben klammere und dringend Blut brauche. Als diese Meldung die Männer erreichte, die draußen in der Einfahrt standen, klang sie, als würde der arme Bailey jeden Augenblick das Zeitliche segnen, wenn sich seine Lieben nicht sofort auf den Weg ins Krankenhaus machten, um ihre Venen für ihn zu öffnen.
Rasch fand sich ein Held. Sein Name war Wayne Agnor, ein angeblich enger Freund von Bailey, der von allen Aggie genannt wurde. Er betrieb mit seinem Vater eine Autowerkstatt und konnte sich seine Arbeitszeit frei einteilen, so dass ein kurzer Trip nach Memphis kein Problem für ihn wäre. Außerdem besaß er einen Pick-up, ein aktuelles Dodge-Modell, und behauptete, Memphis wie seine Westentasche zu kennen.
»Ich kann sofort los«, erklärte Aggie den Männern selbstbewusst, und im Haus verbreitete sich die Kunde, dass die Fahrt tatsächlich stattfinden würde. Eine der Frauen dämpfte die Erwartung, indem sie darauf hinwies, dass mehrere Freiwillige gebraucht würden, denn pro Spender würde immer nur ein halber Liter Blut abgenommen. »Man kann nicht eine Gallone auf einmal spenden«, sagte sie. Die wenigsten hatten jemals Blut gespendet, und der Gedanke an Kanülen und Schläuche machte vielen Angst. In Haus und Vorgarten wurde es still. Besorgte Nachbarn, die noch Augenblicke zuvor Baileys beste Freunde gewesen waren, suchten auf einmal die Distanz.
»Ich fahre mit«, sagte schließlich ein junger Mann, woraufhin er mit Glückwünschen überhäuft wurde. Sein Name war Calvin Marr, und auch er konnte sich seine Zeit frei einteilen, weil er gerade seinen Job in der Schuhfabrik in Clanton verloren hatte und derzeit arbeitslos war. Er hatte panische Angst vor Spritzen, aber die Vorstellung, endlich einmal nach Memphis zu kommen, war verlockend. Es sei ihm eine Ehre, Blut zu spenden, erklärte er.
Aggie fühlte sich bestärkt, nun, da er Anschluss gefunden hatte. »Sonst noch jemand?«, fragte er auffordernd in die Runde.
Allgemeines Raunen hob an, wobei die meisten Männer ihre Schuhspitzen musterten.
»Wir fahren mit meinem Wagen, und ich übernehme den Sprit«, sagte Aggie.
»Wann geht's los?«, fragte Calvin.
»Sofort«, sagte Aggie. »Es ist ein Notfall.«
»Das stimmt«, pflichtete jemand bei.
»Ich werde Roger mitschicken«, bot ein älterer Herr an. Das wurde mit allgemeiner Skepsis aufgenommen.
Roger, der selbst nicht anwesend war, brauchte sich wegen eines Jobs nicht zu sorgen, er hatte es bislang in keinem ausgehalten. Er hatte die Highschool abgebrochen und blickte auf eine wilde Vergangenheit mit Alkohol und Drogen zurück. Immerhin, vor Nadeln sollte er keine Angst haben.
Auch wenn die Männer über Bluttransfusionen wenig wussten, mochten sie sich nicht vorstellen, dass jemand so schwer verletzt sein konnte, dass er Rogers Blut brauchte. »Willst du Bailey umbringen?«, murmelte einer.
»Roger macht das«, sagte sein Vater voller Stolz.
Die große Frage war nur: War er überhaupt clean? Rogers Kampf gegen seine Dämonen war in Box Hill hinlänglich bekannt. Man wusste im Allgemeinen ziemlich genau, wann er auf Drogen war und wann nicht.
»Er ist zurzeit in guter Verfassung«, erwiderte sein Vater, wenn auch ohne rechte Überzeugung. Aber die Not des Augenblicks überwog alle Zweifel, und schließlich sagte Aggie: »Wo ist er?«
»Zu Hause.«
Natürlich war er zu Hause. Roger ging nie irgendwohin. Wohin hätte er auch gehen sollen?
Binnen Minuten hatten die Frauen einen großen Korb mit Sandwiches und anderem Proviant hergerichtet. Aggie und Calvin wurden umarmt und überschwäng lich beglückwünscht, als machten sie sich auf den Weg, das Land zu verteidigen. Während sie davonbrausten, um Baileys Leben zu retten, standen alle anderen in der Auffahrt und winkten den tapferen jungen Männern zum Abschied hinterher.
Roger wartete am Briefkasten, und als der Pick-up hielt, steckte er den Kopf durch das Beifahrerfenster und fragte: »Bleiben wir über Nacht?«
»Ist nicht geplant«, sagte Aggie.
»Gut.«
Nach einigem Hin und Her einigten sie sich darauf, dass sich Roger, der Dünnste, zwischen Aggie und Calvin setzen sollte, die beide groß und dick waren. Der Proviantkorb wurde auf seinem Schoß deponiert. Sie hatten Box Hill kaum hinter sich gelassen, da packte Roger bereits das erste Truthahnsandwich aus. Mit siebenundzwanzig war er der Älteste von den dreien, aber die Zeit war nicht eben gnädig mit ihm umgegangen. Er hatte bereits zwei Scheidungen hinter sich und zahlreiche erfolglose Versuche, sich seine diversen Süchte austreiben zu lassen. Er war ausgemergelt und hypernervös, und kaum hatte er das erste Sandwich verschlungen, wickelte er auch schon das zweite aus. Aggie mit seinen hundert-fünfundzwanzig Kilo und Calvin mit seinen hundert-fünfunddreißig Kilo verzichteten, nachdem sie bei Baileys Mutter zwei Stunden lang Auflauf gegessen hatten.
Bei ihrem ersten Gespräch ging es um Bailey, den Roger kaum kannte, während Aggie und Calvin mit ihm zur Schule gegangen waren. Weil die drei Junggesellen waren, bewegte sich die Unterhaltung bald von ihrem verunfallten Nachbarn weg zum Thema Sex. Aggie hatte eine Freundin und behauptete, alle Vorzüge einer guten Beziehung zu genießen. Roger war angeblich schon mit jeder Bekannten im Bett gewesen und allzeit auf der Jagd. Der schüchterne Calvin war mit einundzwanzig noch Jungfrau, was er jedoch nie zugegeben hätte. Er fabulierte ein paar Eroberungen zusammen, ohne ins Detail zu gehen, und so konnte er weiterhin mitreden. Alle drei übertrieben, und alle drei wussten es.
Als sie die Grenze zu Polk County überquerten, sagte Roger: »Fahr bei Blue Dot raus. Ich muss mal pinkeln.« Aggie hielt an den Zapfsäulen vor einem Laden, und Roger rannte hinein.
»Meinst du, er trinkt?«, fragte Calvin, während sie warteten.
»Sein Daddy sagt, nein.«
»Sein Daddy lügt auch.«
Und tatsächlich tauchte Roger Minuten später mit einem Sixpack Bier wieder auf.
»O Mann«, sagte Aggie.
Als sie wieder auf ihren Plätzen saßen, verließ der
Pick-up den Kiesparkplatz und nahm Fahrt auf.
Roger zog eine Dose heraus und bot sie Aggie an,
der ablehnte. »Nein danke, nicht, wenn ich fahre.«
»Du kannst nicht fahren, wenn du trinkst?«
»Heute nicht.«
»Und du?« Er hielt Calvin die Dose hin.
»Nein danke.«
»Seid ihr auf Entzug, oder was?«, fragte Roger, während er die Verschlusskappe aufbog. Dann leerte er die halbe Dose in einem Zug.
»Ich dachte, du hättest aufgehört«, sagte Aggie. »Hab ich auch. Ich hör dauernd auf. Aufhören ist einfach.«
Calvin, der den Proviant jetzt auf dem Schoß hatte, fing aus lauter Langeweile an, an einem Haferkeks zu nagen. Roger leerte die Dose, drückte sie Calvin in die Hand und sagte: »Kannst du sie rausschmeißen?«
Calvin ließ die Fensterscheibe herunter und schleuderte die Dose nach hinten auf die Ladefläche des Pickups. Während er das Fenster schloss, öffnete Roger schon das nächste Bier. Aggie und Calvin tauschten nervöse Blicke.
»Darf man denn Blut spenden, wenn man getrunken hat?«, fragte Aggie.
»Klar«, sagte Roger. »Hab ich schon oft gemacht. Habt ihr mal Blut gespendet?«
Aggie und Calvin gaben widerstrebend zu, dass sie das noch nie getan hatten, und das inspirierte Roger zu einer ausführlichen Beschreibung der Prozedur. »Man muss sich hinlegen, weil die meisten dabei bewusstlos werden. Die verdammte Nadel ist so dick, dass die Leute schon in Ohnmacht fallen, wenn sie sie nur sehen. Man bekommt einen breiten Gummiriemen um den Bizeps geschnallt, und dann stochert die Schwester in der Ellbogenbeuge herum und sucht nach einer dicken, fetten Vene. Am besten schaut man dabei woandershin. In neun von zehn Fällen sticht sie beim ersten Mal daneben - das tut höllisch weh -, dann entschuldigt sie sich, und man verflucht sie stillschweigend. Wenn man Glück hat, erwischt sie die Vene beim zweiten Mal, und wenn es klappt, schießt das Blut in einen Schlauch, der in einen kleinen Beutel führt. Das ganze Zeug ist durchsichtig, so dass man sein eigenes Blut sehen kann. Es ist erstaunlich, wie dunkel Blut ist, fast braun wie Kastanien. Bis ein halber Liter rausgelaufen ist, dauert es eine halbe Ewigkeit, und die ganze Zeit über hält sie die Nadel fest, die in der Vene steckt.« Zufrieden mit seiner Gruselgeschichte, hob Roger die Dose und trank.
Ein paar Meilen fuhren sie schweigend dahin.
Als die zweite Dose leer war, schleuderte Calvin sie ebenfalls nach hinten. Roger öffnete die dritte. »Das Bier hilft«, sagte er und schmatzte mit den Lippen. »Es verdünnt das Blut, so dass es schneller geht.«
Mittlerweile war offensichtlich, dass er die Absicht hatte, den Sixpack so schnell wie möglich zu vernichten. Aggie überlegte, dass es klug wäre, die Alkoholmenge etwas zu reduzieren. Er hatte schlimme Geschichten über Rogers Räusche gehört.
»Ich nehm auch eine«, sagte er. Roger reichte ihm eine Dose.
»Ich auch«, sagte Calvin.
»Na also, geht doch«, sagte Roger. »Ich trinke nicht gern allein. Daran erkennt man einen echten Trinker nämlich.«
Aggie und Calvin tranken maßvoll und langsam, während Roger das Bier weiterhin in sich hineinschüttete. Als der erste Sixpack geleert war, fiel ihm genau zur rechten Zeit ein, dass er mal pinkeln müsse. »Fahr da raus, bei Cully's Barbecue.« Sie befanden sich am Rande der kleinen Stadt New Grove, und Aggie begann sich zu fragen, wie lange die Fahrt wohl dauern würde. Roger verschwand hinter dem Laden, um sich zu erleichtern, dann schlüpfte er hinein und kaufte zwei weitere Sixpacks. Als New Grove hinter ihnen lag und sie wieder über einen dunklen, schmalen Highway rauschten, zogen sie die Verschlüsse auf.
...
Übersetzung: Kristiana Dorn-Ruhl, Bea Reiter
und Imke Walsh-Araya
Copyright © 2010 der deutschen Ausgabe
by Wilhelm Heyne Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
ALS SICH DIE NACHRICHT von Baileys Unfall in der ländlichen Siedlung Box Hill herumgesprochen hatte, gab es bereits mehrere Versionen. Ein Mitarbeiter der Baufirma hatte seine Mutter angerufen und berichtet, dass Bailey beim Einsturz eines Gerüstes in der Innenstadt von Memphis verletzt worden sei, dass er operiert werde, dass sein Zustand aber stabil und nicht lebensbedrohlich sei. Baileys Mutter, mit über zweihundert Kilo Körpergewicht krankhaft fettleibig und leicht erregbar, fing angesichts dieser Nachricht hysterisch an zu schreien, wodurch ihr ein paar Fakten entgingen. Sie rief Freunde und Nachbarn an, um ihnen die tragische Geschichte zu erzählen, und jedes Mal variierte sie Details oder erfand etwas dazu. Da sie es versäumt hatte, sich die Telefonnummer des Firmenmitarbeiters zu notieren, gab es keine Möglichkeit, die Gerüchte, die sich wie ein Lauffeuer verbreiteten, auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen.
Einer von Baileys Kollegen, der ebenfalls aus Ford County stammte, rief seine Freundin in Box Hill an und gab eine etwas andere Version der Ereignisse durch: Bailey sei von einem Bulldozer überfahren worden, direkt neben dem Gerüst, und er sei so gut wie tot. Die Ärzte bemühten sich, aber es sehe düster für ihn aus.
Dann rief jemand aus der Verwaltung des Krankenhauses in Memphis bei Bailey zu Hause an und wollte dessen Mutter sprechen. Man sagte ihm, dass sie im Bett liege und zu erregt sei, um zu sprechen, und dass sie deshalb nicht ans Telefon kommen könne. Die Nachbarin, die den Anruf entgegennahm, versuchte, dem Verwaltungsangestellten weitere Einzelheiten zu entlocken, bekam aber nicht viel aus ihm heraus. Auf der Baustelle sei irgendetwas eingestürzt, vielleicht ein Graben, in dem der junge Mann gearbeitet habe, oder so etwas in der Art. Ja, er werde operiert, und das Krankenhaus benötige ein paar Angaben zu seiner Person.
In dem kleinen Backsteinhäuschen von Baileys Mutter herrschte bald reges Gedränge. Am späten Nachmittag waren die ersten Besucher eingetroffen: Freunde, Verwandte und ein paar Pastoren aus den zahlreichen kleinen Kirchengemeinden des Ortes. Die Frauen versammelten sich in Küche und Wohnzimmer und tratschten, während immer wieder das Telefon klingelte, die Männer standen draußen und rauchten. Aufläufe und Kuchen tauchten auf.
Da man nichts zu tun hatte und wenig über Baileys Verletzungen wusste, stürzte man sich auf jeden noch so kleinen Hinweis, analysierte und zerpflückte ihn, um ihn dann an die Frauen im Haus beziehungsweise die Männer draußen weiterzugeben: Ein Bein sei zerquetscht und müsse vermutlich amputiert werden. Bailey habe ein schweres Schädel-Hirn-Trauma erlitten. Er sei mit dem Gerüst vier Stockwerke hinabgestürzt, vielleicht auch acht. Sein Brustkorb sei zerschmettert worden. Manche der Theorien wurden spontan entwickelt. Hier und da erkundigte sich jemand mit Grabesmiene gar nach der Beerdigung.
Bailey war neunzehn und hatte in seinem kurzen Leben noch nie so viele Freunde und Bewunderer gehabt. Je weiter die Zeit voranschritt, desto mehr liebte ihn die versammelte Gemeinde. Ein guter Junge sei er, hieß es, ein viel besserer Mensch als sein nichtsnutziger Vater, den seit Jahren niemand gesehen hatte.
Baileys Exfreundin erschien und stand bald im Mittelpunkt des Interesses. Sie war aufgeregt und durcheinander und fing immer wieder an zu weinen, vor allem wenn sie von ihrem geliebten Bailey sprach. Als indes die Mutter im Schlafzimmer von ihrer Anwesenheit erfuhr, ließ sie sie vor die Tür setzen und nannte sie eine kleine Schlampe. Die kleine Schlampe gesellte sich zu den Männern draußen, rauchte und flirtete mit ihnen. Irgendwann verabschiedete sie sich mit dem Schwur, dass sie jetzt nach Memphis fahren werde, um ihren Bailey zu besuchen.
Der Cousin einer Nachbarin, der in Memphis lebte, erklärte sich widerstrebend bereit, das Krankenhaus aufzusuchen, um Erkundigungen einzuholen. Sein erster Anruf brachte die Nachricht, dass der junge Mann tatsächlich wegen unterschiedlicher Verletzungen operiert werde, sein Zustand aber offenbar stabil sei. Er habe allerdings viel Blut verloren. Beim zweiten Anruf korrigierte der Cousin ein paar Details zum Unfall. Er habe mit dem Vorarbeiter gesprochen. Bailey sei verletzt worden, als ein Bulldozer das Gerüst gerammt und zum Einstürzen gebracht habe. Dabei sei der arme Junge fünf Meter tief in einen Graben gefallen. Der Bautrupp arbeite an einem sechsstöckigen Bürogebäude in Memphis, Bailey sei dort als Maurergehilfe tätig. Das Krankenhaus lasse noch mindestens vierundzwanzig Stunden keine Besuche zu, aber Blutspenden würden benötigt.
Bailey ein Maurergehilfe? Seine Mutter hatte sich damit gebrüstet, dass er rasch befördert worden und inzwischen stellvertretender Vorarbeiter sei. Doch unter den gegebenen Umständen kam es niemandem in den Sinn, sie auf diese Unstimmigkeit anzusprechen.
Am Abend stand ein Mann im Anzug vor der Tür und stellte sich als eine Art Ermittler vor. Er wurde an einen Onkel verwiesen, den jüngsten Bruder von Baileys Mutter, und bei einem Gespräch unter vier Augen im Garten zückte er die Visitenkarte eines Anwaltsbüros in Clanton. »Die beste Kanzlei im ganzen County«, sagte er. »Wir arbeiten bereits an dem Fall.«
Der Onkel war beeindruckt. Er versprach, einen weiten Bogen um andere Anwälte zu machen - »die versuchen doch nur, die Leute abzuzocken« - und Schadensregulierer zum Teufel zu schicken, falls sich welche meldeten.
Irgendwann kam die Idee auf, nach Memphis zu fahren. Es waren nur zwei Autostunden bis dorthin, aber es hätten ebenso gut fünf sein können. Wer in Box Hill davon sprach, in die Stadt zu fahren, meinte damit Tupelo mit seinen fünfzigtausend Einwohnern. Memphis lag in einem anderen Bundesstaat, in einer anderen Welt, außerdem grassierte dort die Kriminalität. Die Mordrate war ebenso hoch wie in Detroit. Man sah sich das Gemetzel jeden Abend auf Channel 5 an.
Der Zustand von Baileys Mutter verschlechterte sich, sie war auf keinen Fall in der Lage zu fahren, geschweige denn Blut zu spenden. Baileys Schwester lebte in Clan-ton, aber sie konnte ihre Kinder nicht allein lassen. Morgen war Freitag, ein Arbeitstag, und man war sich einig, dass eine Fahrt nach Memphis und zurück, mit Blutspende und allem, viele Stunden dauern würde. Wann die Spender zurückkämen, ließ sich also nicht abschätzen.
Durch einen weiteren Anruf aus Memphis erfuhr man, dass der Junge nun operiert sei, sich ans Leben klammere und dringend Blut brauche. Als diese Meldung die Männer erreichte, die draußen in der Einfahrt standen, klang sie, als würde der arme Bailey jeden Augenblick das Zeitliche segnen, wenn sich seine Lieben nicht sofort auf den Weg ins Krankenhaus machten, um ihre Venen für ihn zu öffnen.
Rasch fand sich ein Held. Sein Name war Wayne Agnor, ein angeblich enger Freund von Bailey, der von allen Aggie genannt wurde. Er betrieb mit seinem Vater eine Autowerkstatt und konnte sich seine Arbeitszeit frei einteilen, so dass ein kurzer Trip nach Memphis kein Problem für ihn wäre. Außerdem besaß er einen Pick-up, ein aktuelles Dodge-Modell, und behauptete, Memphis wie seine Westentasche zu kennen.
»Ich kann sofort los«, erklärte Aggie den Männern selbstbewusst, und im Haus verbreitete sich die Kunde, dass die Fahrt tatsächlich stattfinden würde. Eine der Frauen dämpfte die Erwartung, indem sie darauf hinwies, dass mehrere Freiwillige gebraucht würden, denn pro Spender würde immer nur ein halber Liter Blut abgenommen. »Man kann nicht eine Gallone auf einmal spenden«, sagte sie. Die wenigsten hatten jemals Blut gespendet, und der Gedanke an Kanülen und Schläuche machte vielen Angst. In Haus und Vorgarten wurde es still. Besorgte Nachbarn, die noch Augenblicke zuvor Baileys beste Freunde gewesen waren, suchten auf einmal die Distanz.
»Ich fahre mit«, sagte schließlich ein junger Mann, woraufhin er mit Glückwünschen überhäuft wurde. Sein Name war Calvin Marr, und auch er konnte sich seine Zeit frei einteilen, weil er gerade seinen Job in der Schuhfabrik in Clanton verloren hatte und derzeit arbeitslos war. Er hatte panische Angst vor Spritzen, aber die Vorstellung, endlich einmal nach Memphis zu kommen, war verlockend. Es sei ihm eine Ehre, Blut zu spenden, erklärte er.
Aggie fühlte sich bestärkt, nun, da er Anschluss gefunden hatte. »Sonst noch jemand?«, fragte er auffordernd in die Runde.
Allgemeines Raunen hob an, wobei die meisten Männer ihre Schuhspitzen musterten.
»Wir fahren mit meinem Wagen, und ich übernehme den Sprit«, sagte Aggie.
»Wann geht's los?«, fragte Calvin.
»Sofort«, sagte Aggie. »Es ist ein Notfall.«
»Das stimmt«, pflichtete jemand bei.
»Ich werde Roger mitschicken«, bot ein älterer Herr an. Das wurde mit allgemeiner Skepsis aufgenommen.
Roger, der selbst nicht anwesend war, brauchte sich wegen eines Jobs nicht zu sorgen, er hatte es bislang in keinem ausgehalten. Er hatte die Highschool abgebrochen und blickte auf eine wilde Vergangenheit mit Alkohol und Drogen zurück. Immerhin, vor Nadeln sollte er keine Angst haben.
Auch wenn die Männer über Bluttransfusionen wenig wussten, mochten sie sich nicht vorstellen, dass jemand so schwer verletzt sein konnte, dass er Rogers Blut brauchte. »Willst du Bailey umbringen?«, murmelte einer.
»Roger macht das«, sagte sein Vater voller Stolz.
Die große Frage war nur: War er überhaupt clean? Rogers Kampf gegen seine Dämonen war in Box Hill hinlänglich bekannt. Man wusste im Allgemeinen ziemlich genau, wann er auf Drogen war und wann nicht.
»Er ist zurzeit in guter Verfassung«, erwiderte sein Vater, wenn auch ohne rechte Überzeugung. Aber die Not des Augenblicks überwog alle Zweifel, und schließlich sagte Aggie: »Wo ist er?«
»Zu Hause.«
Natürlich war er zu Hause. Roger ging nie irgendwohin. Wohin hätte er auch gehen sollen?
Binnen Minuten hatten die Frauen einen großen Korb mit Sandwiches und anderem Proviant hergerichtet. Aggie und Calvin wurden umarmt und überschwäng lich beglückwünscht, als machten sie sich auf den Weg, das Land zu verteidigen. Während sie davonbrausten, um Baileys Leben zu retten, standen alle anderen in der Auffahrt und winkten den tapferen jungen Männern zum Abschied hinterher.
Roger wartete am Briefkasten, und als der Pick-up hielt, steckte er den Kopf durch das Beifahrerfenster und fragte: »Bleiben wir über Nacht?«
»Ist nicht geplant«, sagte Aggie.
»Gut.«
Nach einigem Hin und Her einigten sie sich darauf, dass sich Roger, der Dünnste, zwischen Aggie und Calvin setzen sollte, die beide groß und dick waren. Der Proviantkorb wurde auf seinem Schoß deponiert. Sie hatten Box Hill kaum hinter sich gelassen, da packte Roger bereits das erste Truthahnsandwich aus. Mit siebenundzwanzig war er der Älteste von den dreien, aber die Zeit war nicht eben gnädig mit ihm umgegangen. Er hatte bereits zwei Scheidungen hinter sich und zahlreiche erfolglose Versuche, sich seine diversen Süchte austreiben zu lassen. Er war ausgemergelt und hypernervös, und kaum hatte er das erste Sandwich verschlungen, wickelte er auch schon das zweite aus. Aggie mit seinen hundert-fünfundzwanzig Kilo und Calvin mit seinen hundert-fünfunddreißig Kilo verzichteten, nachdem sie bei Baileys Mutter zwei Stunden lang Auflauf gegessen hatten.
Bei ihrem ersten Gespräch ging es um Bailey, den Roger kaum kannte, während Aggie und Calvin mit ihm zur Schule gegangen waren. Weil die drei Junggesellen waren, bewegte sich die Unterhaltung bald von ihrem verunfallten Nachbarn weg zum Thema Sex. Aggie hatte eine Freundin und behauptete, alle Vorzüge einer guten Beziehung zu genießen. Roger war angeblich schon mit jeder Bekannten im Bett gewesen und allzeit auf der Jagd. Der schüchterne Calvin war mit einundzwanzig noch Jungfrau, was er jedoch nie zugegeben hätte. Er fabulierte ein paar Eroberungen zusammen, ohne ins Detail zu gehen, und so konnte er weiterhin mitreden. Alle drei übertrieben, und alle drei wussten es.
Als sie die Grenze zu Polk County überquerten, sagte Roger: »Fahr bei Blue Dot raus. Ich muss mal pinkeln.« Aggie hielt an den Zapfsäulen vor einem Laden, und Roger rannte hinein.
»Meinst du, er trinkt?«, fragte Calvin, während sie warteten.
»Sein Daddy sagt, nein.«
»Sein Daddy lügt auch.«
Und tatsächlich tauchte Roger Minuten später mit einem Sixpack Bier wieder auf.
»O Mann«, sagte Aggie.
Als sie wieder auf ihren Plätzen saßen, verließ der
Pick-up den Kiesparkplatz und nahm Fahrt auf.
Roger zog eine Dose heraus und bot sie Aggie an,
der ablehnte. »Nein danke, nicht, wenn ich fahre.«
»Du kannst nicht fahren, wenn du trinkst?«
»Heute nicht.«
»Und du?« Er hielt Calvin die Dose hin.
»Nein danke.«
»Seid ihr auf Entzug, oder was?«, fragte Roger, während er die Verschlusskappe aufbog. Dann leerte er die halbe Dose in einem Zug.
»Ich dachte, du hättest aufgehört«, sagte Aggie. »Hab ich auch. Ich hör dauernd auf. Aufhören ist einfach.«
Calvin, der den Proviant jetzt auf dem Schoß hatte, fing aus lauter Langeweile an, an einem Haferkeks zu nagen. Roger leerte die Dose, drückte sie Calvin in die Hand und sagte: »Kannst du sie rausschmeißen?«
Calvin ließ die Fensterscheibe herunter und schleuderte die Dose nach hinten auf die Ladefläche des Pickups. Während er das Fenster schloss, öffnete Roger schon das nächste Bier. Aggie und Calvin tauschten nervöse Blicke.
»Darf man denn Blut spenden, wenn man getrunken hat?«, fragte Aggie.
»Klar«, sagte Roger. »Hab ich schon oft gemacht. Habt ihr mal Blut gespendet?«
Aggie und Calvin gaben widerstrebend zu, dass sie das noch nie getan hatten, und das inspirierte Roger zu einer ausführlichen Beschreibung der Prozedur. »Man muss sich hinlegen, weil die meisten dabei bewusstlos werden. Die verdammte Nadel ist so dick, dass die Leute schon in Ohnmacht fallen, wenn sie sie nur sehen. Man bekommt einen breiten Gummiriemen um den Bizeps geschnallt, und dann stochert die Schwester in der Ellbogenbeuge herum und sucht nach einer dicken, fetten Vene. Am besten schaut man dabei woandershin. In neun von zehn Fällen sticht sie beim ersten Mal daneben - das tut höllisch weh -, dann entschuldigt sie sich, und man verflucht sie stillschweigend. Wenn man Glück hat, erwischt sie die Vene beim zweiten Mal, und wenn es klappt, schießt das Blut in einen Schlauch, der in einen kleinen Beutel führt. Das ganze Zeug ist durchsichtig, so dass man sein eigenes Blut sehen kann. Es ist erstaunlich, wie dunkel Blut ist, fast braun wie Kastanien. Bis ein halber Liter rausgelaufen ist, dauert es eine halbe Ewigkeit, und die ganze Zeit über hält sie die Nadel fest, die in der Vene steckt.« Zufrieden mit seiner Gruselgeschichte, hob Roger die Dose und trank.
Ein paar Meilen fuhren sie schweigend dahin.
Als die zweite Dose leer war, schleuderte Calvin sie ebenfalls nach hinten. Roger öffnete die dritte. »Das Bier hilft«, sagte er und schmatzte mit den Lippen. »Es verdünnt das Blut, so dass es schneller geht.«
Mittlerweile war offensichtlich, dass er die Absicht hatte, den Sixpack so schnell wie möglich zu vernichten. Aggie überlegte, dass es klug wäre, die Alkoholmenge etwas zu reduzieren. Er hatte schlimme Geschichten über Rogers Räusche gehört.
»Ich nehm auch eine«, sagte er. Roger reichte ihm eine Dose.
»Ich auch«, sagte Calvin.
»Na also, geht doch«, sagte Roger. »Ich trinke nicht gern allein. Daran erkennt man einen echten Trinker nämlich.«
Aggie und Calvin tranken maßvoll und langsam, während Roger das Bier weiterhin in sich hineinschüttete. Als der erste Sixpack geleert war, fiel ihm genau zur rechten Zeit ein, dass er mal pinkeln müsse. »Fahr da raus, bei Cully's Barbecue.« Sie befanden sich am Rande der kleinen Stadt New Grove, und Aggie begann sich zu fragen, wie lange die Fahrt wohl dauern würde. Roger verschwand hinter dem Laden, um sich zu erleichtern, dann schlüpfte er hinein und kaufte zwei weitere Sixpacks. Als New Grove hinter ihnen lag und sie wieder über einen dunklen, schmalen Highway rauschten, zogen sie die Verschlüsse auf.
...
Übersetzung: Kristiana Dorn-Ruhl, Bea Reiter
und Imke Walsh-Araya
Copyright © 2010 der deutschen Ausgabe
by Wilhelm Heyne Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
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Autoren-Porträt von John Grisham
John Grisham ist einer der erfolgreichsten amerikanischen Schriftsteller. Seine Romane sind ausnahmslos Bestseller. Zudem hat er ein Sachbuch, einen Erzählband und Jugendbücher veröffentlicht. Seine Werke werden in fünfundvierzig Sprachen übersetzt. Er lebt in Virginia.
Bibliographische Angaben
- Autor: John Grisham
- 2012, Erstmals im TB, 382 Seiten, Maße: 11,8 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Kristiana Dorn-Ruhl, Bea Reiter, Imke Walsh-Araya
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 3453436156
- ISBN-13: 9783453436152
- Erscheinungsdatum: 06.03.2012
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