Geschichte Europas von 1945 bis zur Gegenwart
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GeschichteEuropas von 1945 bis zur Gegenwart von Tony R. Judt
LESEPROBE
Dieungarische »Revolution« von 1989 weist zwei charakteristische Merkmale auf.Erstens war Ungarn, wie geschildert, das einzige Land, in dem der Übergang voneinem kommunistischen Regime zu einem echten Mehrparteiensystem von innenheraus bewirkt wurde. Zweitens sollte die ungarische Wende - während dieBedeutung der Ereignisse von 1989 in Polen wie später in der Tschechoslowakeiund anderswo weitgehend auf die betroffenen Länder selbst beschränkt blieb -eine entscheidende Rolle für die Auflösung eines weiteren kommunistischenRegimes spielen, und zwar dessen der DDR.
Außenstehenden Beobachtern erschien die Deutsche Demokratische Republik vonallen kommunistischen Regimen am stabilsten, und dasnicht nur, weil allgemein angenommen wurde, daß keinSowjetführer jemals seinen Sturz zulassen würde. Der Zustand der DDR, vor allemseiner Städte, mochte billig und baufällig erscheinen; die allgegenwärtigeSchnüffelei des Staatssicherheitsdienstes, der Stasi, war berüchtigt und dieBerliner Mauer blieb ein moralischer und ästhetischer Skandal. Trotzdem war manallgemein der Meinung, die ostdeutsche Wirtschaft sei besser in Schuß als die ihrer sozialistischen Nachbarn. Als der ErsteSekretär, Erich Honecker, im Oktober 1989 bei den Feiern zum 40. Jahrestag derDDR prahlte, das Land gehöre zu den zehn leistungsfähigsten Volkswirtschaftender Welt, soll sein Gast Michail Gorbatschow spöttisch gehüstelt haben; aufeines jedoch verstand sich das Regime - auf die Herstellung und den Exportfrisierter Daten. Viele westliche Beobachter glaubten Honecker aufs Wort.
Die größten Bewunderer der DDR fanden sich in der Bundesrepublik. Derscheinbare Erfolg der Ostpolitik beim Abbau der Spannungen, den menschlichenErleichterungen und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen den beidendeutschen Staaten hatte praktisch die ganze politische Klasse dazu veranlaßt, ihre Hoffnung auf eine unbegrenzte Verlängerungdieser Politik zu setzen. Die offiziellen Repräsentanten der Bundesrepublikschürten nicht nur die Illusionen in der Nomenklaturader DDR, sondern wiegten sich auch selbst in trügerischen Hoffnungen. Durch dieständige Wiederholung der These, die Ostpolitik baue die Spannungen mit demOsten ab, überzeugten sie sich schließlich selbst von ihr.
Viele Westdeutsche waren so auf »Frieden«, »Stabilität« und »Ordnung« fixiert, daß sie am Ende den Standpunkt der osteuropäischenPolitiker teilten, mit denen sie zu tun hatten. Der prominente SozialdemokratEgon Bahr erklärte im Januar 1982 (unmittelbar nach der Verhängung desKriegsrechts in Polen), die Deutschen hätten im Interesse des Friedens auf dieForderung nach nationaler Einheit verzichtet, und die Polen müßtennun im Namen derselben »höchsten Priorität« ihre Forderung nach Freiheitfallenlassen. Fünf Jahre später erklärte der einflußreicheSchriftsteller Peter Bender auf einem Symposion der SPD über »Mitteleuropa«stolz, daß man in dem Wunsch nach Entspannung mehrmit Belgrad und Stockholm, aber auch mit Warschau und Berlin gemein habe alsmit Paris und London.
In späteren Jahren zeigte mehr als ein führender SPD-Politiker die Neigung,gegenüber hochrangigen DDR-Besuchern im Westen vertrauliche und entschiedenkompromittierende Verlautbarungen abzugeben. 1987 pries Björn Engholm dieInnenpolitik der DDR als »historisch«, während sein Kollege Oskar Lafontaine imfolgenden Jahr versprach, alles in seiner Macht stehende zu tun, um diewestdeutsche Unterstützung ostdeutscher Dissidenten zum Verstummen zu bringen.Die Sozialdemokraten müßten, wie er seinenGesprächspartnern versicherte, alles vermeiden, was diese Kräfte stärken könne.In einem sowjetischen Bericht an das DDR-Politbüro hieß es im Oktober 1984:»Viele Argumente, die den Vertretern der SPD zuvor von uns entgegengehaltenwurden, haben diese jetzt übernommen.«
Bei den westdeutschen Sozialdemokraten sind solche Illusionen ja vielleichtnoch verständlich. Aber sie wurden mit dem gleichen Eifer auch von vielenChristdemokraten vertreten. Helmut Kohl, seit 1982 Bundeskanzler, war auf guteBeziehungen zur DDR sicherlich genauso erpicht wie seine Opponenten. Auf derBeisetzung von Juri Andropow im Februar 1984 traf undsprach er in Moskau mit Erich Honecker - und wiederholte diese Unterhaltungbeim Begräbnis von Tschernenko im folgenden Jahr. Die beiden Seitenvereinbarten Kulturaustausch und die Beseitigung von Minen an derinnerdeutschen Grenze. Im September 1987 besuchte Honecker als erstesStaatsoberhaupt der DDR die Bundesrepublik. Währenddessen wurden die deutschenFinanzhilfen für die DDR eifrig aufgestockt (jedoch kein Pfennig an Unterstützungfür die wachsende innere Opposition im Osten Deutschlands gezahlt).
Mit westdeutscher Zuwendung gesegnet, auf Moskauer Unterstützung bauend und mitder Möglichkeit, seine unbequemen Dissidenten nach Belieben in den Westen zuexportieren, hätte das ostdeutsche Regime vielleicht endlos überleben können.Ganz gewiß schien es gegen Veränderung immun zu sein.Als im Juni DDR-Bürger in Ostberlin gegen die Mauer demonstrierten undSprechchöre zum Lob von Gorbatschow intonierten, wurden sie ohne vielFederlesen auseinandergetrieben. Im Januar 1988 zögerte die DDR-Regierungnicht, mehr als hundert Demonstranten zu inhaftieren und auszuweisen, die desMordes an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht im Jahr 1919 gedachten, indem sieSchilder schwenkten, auf denen Luxemburg selbst zitiert wurde: »Freiheit istauch die Freiheit des Andersdenkenden.« Im September 1988 rühmte Honecker beieinem Moskaubesuch öffentlich Gorbatschows Perestroika - vermied es aber nachseiner Heimkehr sorgfältig, sie in der DDR einzuführen.
Trotz der beispiellosen Entwicklungen in Moskau, Warschau und Budapest,fälschten die ostdeutschen Kommunisten ihre Wahlergebnisse auch weiterhin, wiesie es seit den fünfziger Jahren gewöhnt waren. Im Mai 1989 war das offizielleErgebnis der DDR-Kommunalwahlen - 98,85 Prozent für die Kandidaten derRegierung - ein so offenkundiger Betrug, daßsie landesweit den Protest von Geistlichen, Unweltgruppen und sogar Kritikernin der herrschenden Partei auslösten. Das Politbüro überhörte siegeflissentlich. Doch jetzt hatten die DDR-Bürger zum erstenmaleine Alternative. Sie mußten nicht mehr den Statusquo hinnehmen, eine Verhaftung riskieren oder einen gefährlichen Fluchtversuchin den Westen unternehmen. Am 2. Mai 1989, als in Ungarn die Einschränkungender Freizügigkeit und freien Meinungsäußerung gelockert wurden, hatten dieMachthaber in Budapest auch die Elektrozäune an der Westgrenze des Landesentfernt, obwohl die Grenze des Landes offiziell geschlossen blieb.
Scharenweise reisten die Ostdeutschen nach Ungarn. Am 1. Juli 1989 fuhren 25000DDR-Bürger zum »Urlaub« in das Bruderland. Viele tausend folgten, von deneneine große Anzahl vorübergehend Zuflucht in den deutschen Botschaften von Pragund Budapest suchten. Einige wenige entkamen über die immer noch geschlosseneösterreichisch-ungarische Grenze, ohne von den Grenzern aufgehalten zu werden,doch die meisten blieben in Ungarn. Anfang September hielten sich 60000DDR-Bürger in Ungarn auf und warteten. Als der ungarische Außenminister GyulaHorn am 10. September in den ungarischen Fernsehnachrichten gefragt wurde, wieer reagieren würde, wenn einige dieser Menschen sich in Richtung Westen inBewegung setzen würden, antwortete er: »Wir werden sie anstandslos durchlassen,und ich nehme an, die Österreicher werden sie reinlassen.« Damit stand die Türzum Westen offiziell offen: Binnen 72 Stunden waren rund 22000 DDR-Bürgerhindurchgeeilt.
Die DDR-Regierung protestierte empört - die ungarische Maßnahme bedeutete eineVerletzung des langjährigen Abkommens zwischen kommunistischen Regierungen,ihre Länder nicht als Fluchtrouten aus Bruderstaaten benutzen zu lassen. Dochdie Regierung in Budapest verwies lediglich darauf, daßsie durch ihre Unterschrift unter die Schlußakte vonHelsinki gebunden sei. Die Menschen nahmen sie beim Wort. Im Laufe der nächstendrei Wochen erlitt die DDR eine wahre Image-Katastrophe, als ZehntausendeDDR-Bürger die neue Route nutzten, um ihrem Staat den Rücken zu kehren.
In dem Versuch, die Ereignisse wieder unter Kontrolle zu bringen, boten dieDDR-Machthaber den ostdeutschen Flüchtlingen in den Botschaften von Prag undWarschau die ungehinderte Fahrt in einem versiegelten Zug durch ihrStaatsgebiet auf dem Weg in die Bundesrepublik an. Das führte jedoch nur zueiner neuen, noch schlimmeren Demütigung des Regimes. Als der Zug durch die DDRfuhr, wurde er von Zehntausenden jubelnden und neidischen Landsleuten begrüßt.Etwa fünftausend Menschen versuchten bei einem kurzen Halt in Dresden, den Zugzu stürmen. Als die Polizei die Menge mit Schlagstöcken zurücktrieb, erhob sichein wütender Aufruhr - und das Ganze vor den Augen der internationalen Medien.
Die Schwierigkeiten des Regimes ermutigten seine Kritiker. Einen Tag, nachdemUngarn seine Grenzen geöffnet hatte, gründete eine Gruppe ostdeutscherDissidenten in Ostberlin das Neue Forum. Wenige Tage später folgte eine weitereBürgerbewegung: Demokratie Jetzt. Beide Gruppen setzten sich für einedemokratische »Umgestaltung« der DDR ein. Am Montag, dem 2. Oktober 1989,demonstrierten 10000 Menschen, enttäuscht über die Weigerung desHonecker-Regimes, sich zu reformieren - die größte öffentliche Versammlung inOstdeutschland seit der unglückseligen Volkserhebung am 17. Juni 1953 inBerlin. Der 77-jährige Honecker blieb unbeirrt. DDR-Bürger, die auszuwandernsuchten, so erklärte er, würden durch Verlockungen, Versprechungen undDrohungen erpreßt, den Grundsätzen und fundamentalenWerten des Sozialismus abzuschwören. Mit wachsender Furcht registrierten seinejüngeren Kollegen - die das Ausmaß der Probleme nicht länger leugnen konnten -,wie hilflos die Führung wirkte: auf ihren Stühlen erstarrt. Am 7. Oktober, anläßlich des 40. Jahrestags der DDR-Gründung, kam MichailGorbatschow und ermahnte seine versteinert lauschenden Gastgeber mit dendenkwürdigen Worten: »Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.« Vergebens: Honecker bekundete seine Zufriedenheit mit denDingen, so wie sie waren.
Durch den Besuch des sowjetischen Führers ermutigt - von den Entwicklungen imAusland gar nicht zu reden -, begannen Demonstranten in Leipzig und anderenStädten regelmäßige Kundgebungen und »Nachtwachen« (Vigilien) für die Wendeabzuhalten. Die Teilnehmerzahl der Montagsdemonstrationen in Leipzig, die jetztzu einer regelmäßigen Einrichtung wurden, war in der Woche nach GorbatschowsRede auf 90000 angewachsen, wobei die versammelte Menge den Satz »Wir sind dasVolk« intonierte und »Gorbi« um Hilfe anrief. In derfolgenden Woche stieg die Zahl abermals an; in wachsender Aufregung verlangteHonecker jetzt, jede weitere Äußerung von Opposition mit Gewaltniederzuschlagen.
Die Aussicht auf eine direkte Konfrontation scheint bei Honeckersparteiinternen Kritikern den Ausschlag gegeben zu haben. Am 18. Novemberinszenierten einige seiner Kollegen unter Führung von Egon Krenz einenStaatstreich und setzten den alten Mann nach 18jähriger Herrschaft ab. Krenzerste Amtshandlung bestand darin, nach Moskau zu fliegen, Gorbatschow seiner(und sich selbst dessen) Unterstützung zu versichern und nach Berlinzurückzukehren, um eine vorsichtige ostdeutsche Perestroika in die Wege zuleiten. Doch es war zu spät. Auf der jüngsten Leipziger Montagsdemonstrationwaren rund 300000 Menschen zusammengekommen, um die Wende zu fordern; am 4.November versammelten sich eine halbe Million Ostdeutsche in Berlin undverlangten sofortige Reformen. Am selben Tag öffnete die Tschechoslowakei ihreGrenzen. Während der nächsten 48 Stunden nutzen 30000 Menschen diesen Weg inden Westen.
Jetzt waren die Machthaber wirklich in Panik. Am 5. November schlug die DDR-Regierungein leicht liberalisiertes Reisegesetz vor, nur um sich von ihren Kritikernanzuhören, daß es hoffnungslos unzulänglich sei.Daraufhin folgte ein spektakulärer Rücktritt erst des DDR-Kabinetts und danndes Politbüros. Am Abend danach - dem 9. November 1989, dem Jahrestag derAbdankung des Kaisers und der Reichspogromnacht (»Kristallnacht«) - schlugenKrenz und seine Kollegen ein weiteres Reisegesetz vor, um einen wilden Ansturmzu verhindern. Auf einer Pressekonferenz, die live im DDR-Fernsehen und Radioübertragen wurde, erklärte Günter Schabowski, nach den neuen Bestimmungen seienmit sofortiger Wirkung Auslandsreisen ohne vorherigen Antrag gestattet und derDurchgang an den Grenzübergängen nach Westdeutschland erlaubt. Kurzum, dieMauer war offen.
Noch vor Ende der Übertragung befanden sich die Menschen auf den StraßenOstberlins und eilten in Richtung Grenze. Binnen Stunden waren 50000 Menschennach Westberlin geströmt: einige für immer, andere nur, um zu schauen. AmMorgen danach hatte sich die Welt verändert. Wie jeder sehen konnte, war dieMauer durchbrochen, und es gab keinen Weg zurück. Vier Wochen später wurde dasBrandenburger Tor, das direkt auf der Ostwestgrenze stand, wiedereröffnet;während der Weihnachtsferien 1989 besuchten 2,4 Millionen Ostdeutsche (jedersechste DDR-Bürger) den Westen. Das hatte entschieden nicht in der Absicht derDDR-Regierung gelegen. Wie Schabowski selbst später erklärte, hätten dieMachthaber »keinen Hinweis« darauf gehabt, daß dieMaueröffnung den Sturz der DDR bewirken würde - ganz im Gegenteil, sie hattensich davon den Beginn der »Stabilisierung« erwartet.
Als sich die DDR-Spitze zögernd dazu entschloß, dieGrenze zu öffnen, hatte sie gehofft, nur ein Sicherheitsventil zu öffnen,vielleicht ein bißchen Popularität und vor allemgenügend Zeit zu gewinnen, um ein »Reformprogramm« vorzuschlagen. Schließlichhatte sie die Mauer aus dem gleichen Grund geöffnet, aus dem sie eineGeneration zuvor errichtet und geschlossen worden war: um eine demographischeBlutung zu stillen. 1961 hatte die verzweifelte Maßnahme Erfolg gehabt; auch1989 klappte sie so einigermaßen - überraschend wenige Ostdeutsche bliebendauerhaft in Westberlin oder wanderten nach Westdeutschland ab, sobald sie sichsicher waren, daß sie bei ihrer Rückkehr nicht wiederverhaftet wurden. Doch der Preis für diese Gewißheitwar, daß mehr als nur das Regime wegbrach.
Nach dem Mauerfall durchlief die SED die - mittlerweile vertrauten - letztenRituale einer sterbenden kommunistischen Partei. Am 1. Dezember beschloß die Volkskammer ohne Gegenstimmen (bei fünfEnthaltungen), aus der DDR-Verfassung die Klausel zu streichen, nach der derStaat »unter der Führung der Arbeiterklasse und ihrermarxistisch-leninistischen Partei« stehe. Vier Tage später trat das Politbüroabermals zurück; mit Gregor Gysi wurde ein neuer Führer gewählt und der Nameder Partei den neuen Verhältnissen angepaßt: Parteides Demokratischen Sozialismus (PDS). Die Mitglieder der alten kommunistischenFührungsriege (einschließlich Honecker und Krenz) wurden aus der Parteiausgestoßen, Gespräche am Runden Tisch mit den Vertretern des Neuen Forums(nach allgemeinem Dafürhalten der wichtigsten Oppositionsgruppe) aufgenommenund frei Wahlen angesetzt.
Doch noch bevor die neueste (und letzte) DDR-Regierung unter dem DresdenerParteichef Hans Modrow ein »Aktionsprogramm« aufsetzte, wurden alle ihreHandlungen und Absichten nahezu bedeutungslos. Die Ostdeutschen hattenschließlich eine Option, die anderen Völkern nicht zur Verfügung stand - es gabkeine »Westtschechoslowakei« und kein »Westpolen« -, und die wollten sie sichkeinesfalls nehmen lassen. Die Ziele verlagerten sich: Im Oktober 1989 hattendie Leipziger Demonstranten noch »Wir sind das Volk« gerufen, im Januar 1990intonierte dieselbe Menge einen leicht veränderten Text: »Wir sind ein Volk«.
Da der Tod des deutschen Kommunismus, wie wir im nächsten Kapitel sehen werden,auch den Tod eines deutschen Staates beinhaltete - ging es im Januar 1990 nichtmehr nur darum, aus dem Sozialismus herauszukommen (noch viel weniger darum,ihn zu »reformieren«), sondern in die Bundesrepublik hineinzukommen, wobei inder Rückschau nicht ganz klar ist, wie die Hoffnungen der Massen zu deutensind, die im Herbst 1989 die DDR zu Fall brachten. Klar ist indessen, daß weder die Partei (wie in Ungarn) noch die Opposition(wie in Polen) für sich in Anspruch nehmen kann, wesentlich für den Gang derEreignisse verantwortlich zu sein. Wie gesehen, hat die Partei lange gebraucht,um ihre prekäre Lage zu erfassen; doch ihre intellektuellen Kritiker waren auchnicht viel schneller.
Am 28. November veröffentlichten Stefan Heym, Christa Wolf und andereostdeutsche Intellektuelle einen Appell »Für unser Land«, um den Sozialismusund die DDR zu retten und eine geschlossene Front gegen den »glitzerndenTinnef« des Westens zu bilden, wie Heym ihn nannte. Bärbel Bohley, die führendeRepräsentantin des Neuen Forums, bezeichnete die Öffnung der Berliner Mauersogar als »unglücklich«, weil sie die »Reform« vereitle und überstürzte Wahlenheraufbeschwöre, bevor die Parteien oder die Wähler »bereit« seien. Wie vieleintellektuelle »Dissidenten« in Ostdeutschland (von ihren westdeutschenBewunderern ganz zu schweigen) hofften Bohley und ihre Kollegen noch immer aufeinen reformierten Sozialismus, befreit von Stasi und Parteiherrschaft, aber insicherem Abstand von dem räuberischen Kapitalismus des Doppelgängers im Westen.Wie die Ereignisse zeigen sollten, war das mindestens so unrealistisch wieErich Honeckers Traum von der Rückkehr zu neostalinistischem Gehorsam. Damitverurteilte sich das Neue Forum selbst zur politischen Bedeutungslosigkeit, undseine Führer konnten nur noch mißmutig über denunbedachten Leichtsinn der Massen räsonieren.
© Hanser Verlag
Übersetzung:Matthias Fienbork und HainerKober
- Autor: Tony Judt
- 2006, 5. Aufl., 1024 Seiten, 80 Schwarz-Weiß-Abbildungen, mit zahlreichen Abbildungen, Maße: 15,9 x 21 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzer: Matthias Fienbork, Hainer Kober
- Verlag: HANSER
- ISBN-10: 3446207775
- ISBN-13: 9783446207776
"Neben der traditionellen Politikgeschichte beeindruckt Tony Judt mit der seltenen Fähigkeit, die komplexen währungswirtschafts- und sozialgeschichtlichen Phänomene der unmittelbaren Nachkriegszeit eindringlich und verständlich zu beschreiben." Dan Diner, Die Welt, 19.08.06
"Bibel für Europa. ... Sein Buch ist - für ein solches Standardwerk ungewöhnlich - ausgesprochen verständlich geschrieben und bietet den derzeit besten Überblick zum Thema." Jan-Christoph Wiechmann, Der Stern, 24.08.06
"... erstmals umfassende 'Geschichte Europas' ... . Ein hoch ambitioniertes Werk hat der britische Historiker Tony Judt mit seiner weit beachteten und nun auch in deutscher Sprache erschienenen 'Geschichte Europas von 1945 bis zur Gegenwart' vorgelegt. ... (ein) wichtige(s) Buch." dpa, 06.09.06
"Die Fülle kluger und unorthodoxer Einsichten und Perspektiven ..., die zum Nachdenken und zur Auseinandersetzung einladen, macht diese große Gelehrtenleistung zu einem wichtigen Beitrag zur Geschichte Europas." Andreas Rödder, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.10.06
"(E)in Standardwerk. Es stellt äußerst detailreich die unzähligen Entwicklungslinien der jüngeren europäischen Geschichte dar, vereint sie zu mehreren Hauptsträngen und ist dabei mitunter spannend wie ein Krimi." Andreas Bachmann, Falter, 06.10.06
"(S)eine 'Geschichte Europas von 1945 bis zur Gegenwart' ist die erste zusammenhängende historische Darstellung Nachkriegseuropas. ... (Ein) Meisterwerk. ... Judts Buch beleuchtet Alltags-, Wirtschafts- und Politikgeschichte der europäischen Länder so, dass die geschichtliche Bewegung des Kontinents mit ihren Zäsuren und Beschleunigungen plastisch wird." Michael Jeismann, Literaturen, 10/06
"Dem britischen Historiker ... ist das seltene
"Die besondere Leistung ... besteht darin, dass es ... die Schicksale von West- und Osteuropa zusammen liest. ... Virtuos bewegt er sich zwischen beiden Welten hin und her. ... Judt schreibt einen anschaulischen, knappen Stil mit erzählerischen Qualitäten, der Zahlen und Daten wie selbstverständlich verarbeitet."
Gregor Dotzauer, Der Tagesspiegel, 02.11.06
"Es ist diese Verbindung aus 'Geschichtspolitik', (post-)nationaler Historiographie und Gesellschaftsgeschichte, die Tony Judts enzyklopädisches Unternehmen so beeindruckend macht." Mariam Lau, Die Welt, 30.10.06
"Tony Judts brillantes Buch zur europäischen Nachkriegsgeschichte." Ralf Hanselle, Der Standard,16.12.06
"Neben der traditionellen Politikgeschichte beeindruckt Tony Judt mit der seltenen Fähigkeit, die komplexen währungswirtschafts- und sozialgeschichtlichen Phänomene der unmittelbaren Nachkriegszeit eindringlich und verständlich zu beschreiben." Dan Diner, Die Welt, 19.08.06
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Gregor Dotzauer, Der Tagesspiegel, 02.11.06
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