Die Kunstpraxis in der Mühl-Kommune. Wenn Leben und Kunst verschmelzen sollen
Anders als in zahlreichen bisher erschienenen Publikationen über die sog. Mühl-Kommune, die sich in unterschiedlichen Formen vom autobiographischen Bericht über kunsthistorische wie soziologisch - psychologische Betrachtungen bis zum Roman mit der...
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Produktinformationen zu „Die Kunstpraxis in der Mühl-Kommune. Wenn Leben und Kunst verschmelzen sollen “
Klappentext zu „Die Kunstpraxis in der Mühl-Kommune. Wenn Leben und Kunst verschmelzen sollen “
Anders als in zahlreichen bisher erschienenen Publikationen über die sog. Mühl-Kommune, die sich in unterschiedlichen Formen vom autobiographischen Bericht über kunsthistorische wie soziologisch - psychologische Betrachtungen bis zum Roman mit der Geschichte der Kommune im Ganzen beschäftigen, soll in der vorliegenden Arbeit zum ersten Mal der für die Kommune zentrale Aspekt der Kunst in all seinen Facetten und Widersprüchen in Theorie und Praxis detailliert veranschaulicht werden.Auch die Perspektive ist eine andere als die übliche: Als Künstler und langjähriger Kommunarde berichtet der Autor aus erster Hand und stellt die Entwicklung der Kommune unter dem künstlerischen Aspekt sehr konkret dar. Zudem steht nicht, wie in der bisherigen Literatur, ausschließlich die Person des Otto Mühl im Mittelpunkt, während die Kommunenmitglieder als schweigende, formbare Masse dargestellt werden. In der vorliegenden Schrift bekommen einzelne Kommunarden exemplarisch und stellvertretend in künstlerischer Hinsicht ein Gesicht und eine Existenz, indem ihr Werdegang in den letzten Kommunenjahren präzise geschildert wird. Damit wird klar herausgearbeitet: Nicht nur Mühl und seine engsten Vertrauten haben die Geschicke des Kollektiv-Experiments gelenkt, sondern auch einzelne Mitglieder nahmen Einfluss, z.B. indem sie Widerstand leisteten, als Mühls autoritär-autokratischer Führungsstil immer mehr an Fahrt gewann.
Dem künstlerischen Widerstand kommt in den letzten Jahren der Kommune eine besondere Bedeutung zu, handelte es sich bei der Kunst doch gerade um das Haupt-Einflussgebiet des Otto Mühl, für das er sich von Beginn an ein Deutungs- und Lenkungsmonopol eingeschrieben hatte, und auf das er seine Autorität maßgeblich stützte.
Lese-Probe zu „Die Kunstpraxis in der Mühl-Kommune. Wenn Leben und Kunst verschmelzen sollen “
Textprobe:PROLOG, Insel La Gomera, 1988:
"Zurück zur Masse!" Die Parole hat gesessen. Der rechte Arm von Otto zeigt dabei unmissverständlich in Richtung kollektiven Malplatz. Auf der als Freiluft-Malatelier eingerichteten Terrasse sind gerade ein paar Kommunardinnen in weißen Kitteln damit beschäftigt, den aktuellen Malstil des Großmeisters so getreu wie nur möglich nachzuahmen. Dabei wissen sie um die Vergeblichkeit ihres Bemühens. Wenn Otto von den Ziegenhöhlen herunterkommen wird, vor denen wir unsere eigenen Ateliers installiert haben, wird er die entstandenen Landschaftsbilder begutachten. Es wird sich zeigen, wie schlecht sie alle geworden sind. Eine der jungen Frauen wird Otto mit einem Lob beglücken. Nicht dass er wirklich denkt, das Bild sei gelungen. Nein, es geht ihm lediglich darum, die Konkurrenz unter den Frauen anzustacheln.
Meine Bilder sind nicht mehr konform. Darum kann ich sie auch nicht auf dem offiziellen Malplatz malen. Sie entstehen im Verborgenen oder eben hier, hoch oben über der Finca, wo Otto und sein Gefolge eigentlich nie vorbeikommen. Jemand muss bemerkt haben, dass hier etwas passiert, uns möglicherweise ausspioniert und dann Otto berichtet haben. Jetzt steht er da in Begleitung von fünf Frauen, die erstaunlich still sind. Sie wissen offensichtlich nicht, wie sie sich angesichts der besonderen Situation verhalten sollen. Sogar Claudia , die sonst nie um einen bissigen Kommentar verlegen ist, sagt nichts.
Es ist Otmar, der die "Ziegenhöhlen" hier entdeckt hat. Die größte und verborgenste, von den Terrassen unten nicht einsehbar, hat er so eingerichtet, dass er sein Material, sein Werkzeug, Teile seiner Kunstproduktion und nicht zuletzt die eine oder andere Flasche Palmenschnaps geschützt unterbringen kann. Außerdem kann er von hier aus schnell in die Berge verschwinden und sich auf den dreistündigen Weg nach Playa de Santiago machen, wo er sich mit alkoholischen Getränken versorgen kann. Auch Dieter war auf der Suche nach einem
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verborgenen Platz und hat schnell verstanden, dass dieser Ort ihm die Ruhe bieten kann, die er für seine Schreibarbeit braucht. Dazu fühlt er sich in Nachbarschaft von Otmar gut aufgehoben, begehren doch beide seit Monaten schon gegen die allgemeinen Stumpfheit und die absolute Autorität des Otto Mühl auf. Er hat es sich rechts außen am oberen Rande einer Staumauer bequem gemacht. Blöd nur, dass man, kaum dass er aufsteht, ihn von der Malterrasse aus sehen kann.
Den bereits besetzten Standort hatte ich entdeckt, als Otmar auf einer kleinen Terrasse in der Nähe eine wilde Materialaktion ausgeführt hatte: "desaster in rot" wurde sie nachträglich genannt. Das Ganze wurde gefilmt. Außer dem Kameramann und mir gab es keine Zeugen. Wir wohnten einer intensiven Materialschlacht bei, bei der Otmar seinen Ärger über den übermächtig gewordenen Freund und seine Verzweiflung über die eigene Situation abarbeitete.
Die mittlere Höhle war noch frei; also überlegte ich tagelang, ob ich dort "einziehen" sollte. Wochen zuvor hatte ich intensiv angefangen, Bilder zu zeichnen und zu malen, die mit der Bildsprache, die Otto von den Kommunarden forderte, nichts mehr zu tun hatten. Schnell hatte ich gemerkt, dass diese Freiheit, die ich mir nahm, mir sehr gut tat. Ich hatte den etwas pathetischen Entschluss gefasst, endgültig Künstler zu werden und von nun an künstlerisch meine eigenen Wege zu gehen.
Als ich eines Nachmittags mit meinen Stiften und Pinseln an den Höhlen ankam, löste dies nicht gerade einen Sturm von Begeisterung aus. Otmar guckte mich schief an: "Wos wuist'n du?". Dieter empfahl mir in seiner kultivierten Art, doch besser nicht zu bleiben; es könne mir Probleme bereiten, mit Aufsässigen gemeinsam gesehen zu werden. Ich blieb und kam täglich wieder.
"Zu genial, zu locker, zurück zur Masse!"
Heute ist der 22. April 1988. Immerhin hat sich Otto die Mühe gemacht, die etwa hundert von mir in den letzten Tagen gemalten oder gezeic
Den bereits besetzten Standort hatte ich entdeckt, als Otmar auf einer kleinen Terrasse in der Nähe eine wilde Materialaktion ausgeführt hatte: "desaster in rot" wurde sie nachträglich genannt. Das Ganze wurde gefilmt. Außer dem Kameramann und mir gab es keine Zeugen. Wir wohnten einer intensiven Materialschlacht bei, bei der Otmar seinen Ärger über den übermächtig gewordenen Freund und seine Verzweiflung über die eigene Situation abarbeitete.
Die mittlere Höhle war noch frei; also überlegte ich tagelang, ob ich dort "einziehen" sollte. Wochen zuvor hatte ich intensiv angefangen, Bilder zu zeichnen und zu malen, die mit der Bildsprache, die Otto von den Kommunarden forderte, nichts mehr zu tun hatten. Schnell hatte ich gemerkt, dass diese Freiheit, die ich mir nahm, mir sehr gut tat. Ich hatte den etwas pathetischen Entschluss gefasst, endgültig Künstler zu werden und von nun an künstlerisch meine eigenen Wege zu gehen.
Als ich eines Nachmittags mit meinen Stiften und Pinseln an den Höhlen ankam, löste dies nicht gerade einen Sturm von Begeisterung aus. Otmar guckte mich schief an: "Wos wuist'n du?". Dieter empfahl mir in seiner kultivierten Art, doch besser nicht zu bleiben; es könne mir Probleme bereiten, mit Aufsässigen gemeinsam gesehen zu werden. Ich blieb und kam täglich wieder.
"Zu genial, zu locker, zurück zur Masse!"
Heute ist der 22. April 1988. Immerhin hat sich Otto die Mühe gemacht, die etwa hundert von mir in den letzten Tagen gemalten oder gezeic
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Autoren-Porträt von Benoit Tremsal
1952 in Frankreich geboren und dort aufgewachsen, studierte der Autor in den frühen 1970ern Musik und Klavier. Er verbrachte ab 1978 13 Jahre in der vom Wiener Aktionisten Otto Mühl 1970 gegründeten Kommune in Österreich, Frankreich, den Niederlanden, Deutschland und auf den Kanarischen Inseln. Während der gesamten Dauer seines Kommunenaufenthaltes setzte er sich intensiv mit Kunst _ insbesondere Zeichnung und Malerei _ auseinander und traf wichtige Künstler dieser Zeit. Seit 1988 lebt Tremsal in Deutschland und ist seit 1991 als freischaffender bildender Künstler tätig. Als solcher hat er neben Ausstellungen mit Objekten und Installationen auch zahlreiche große Projekte im öffentlichen und ländlichen Raum in mehreren Ländern Europas realisiert.
Bibliographische Angaben
- Autor: Benoit Tremsal
- 2016, 120 Seiten, Maße: 15,5 x 22 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: disserta
- ISBN-10: 3959352840
- ISBN-13: 9783959352840
- Erscheinungsdatum: 19.04.2016
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