Aussicht auf bleibende Helle
Königin Sophie Charlotte und Gottfried Wilhelm Leibniz: eine Liebe im Geiste. Der letzte Universalgelehrte und die schöngeistige Königin. Mit diesem Buch kehrt Renate Feyl auf das Terrain zurück, auf dem sie mit überaus...
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Königin Sophie Charlotte und Gottfried Wilhelm Leibniz: eine Liebe im Geiste. Der letzte Universalgelehrte und die schöngeistige Königin. Mit diesem Buch kehrt Renate Feyl auf das Terrain zurück, auf dem sie mit überaus erfolgreichen Büchern geglänzt hat: die historische Romanbiografie. Sie erzählt die Geschichte einer Beziehung, die aus dem lebendigen Austausch der Gedanken Funken der Leidenschaft schlägt. Und die Leibniz die fünf glücklichsten Jahre seines Lebens beschert.
Über die Autorin:
Renate Feyl wurde in Prag geboren. Sie studierte Philosophie, schrieb Romane und Essays. Heute lebt sie als freie Schriftstellerin in Berlin.
Sophie Charlotte, geboren 1668 auf Schloss Iburg im Fürstenbistum Osnabrück, begegnet Leibniz am elterlichen Hofe in Hannover, wo er in kurfürstlichen Diensten steht. Mit sechzehn Jahren heiratet sie Friedrich III., den Sohn des Großen Kurfürsten, und geht mit ihm nach Berlin. Hier besucht sie Jahre später der weithin berühmte Mathematiker und Philosoph, um sie für den Plan zu gewinnen, eine Akademie der Wissenschaften zu gründen. Während ihr Gatte mit großem diplomatischem Geschick das Ziel seiner Krönung zum König in Preußen erreicht, fördert sie die schönen Künste und Wissenschaften. Im Laufe der zahlreichen anregenden und geistreichen Gespräche entwickelt sich eine enge Beziehung, und Leibniz wird zum Gefährten ihrer Gedanken. Sophie Charlotte animiert den universellen und genialen Gelehrten zu einer systematischen Ausarbeitung seiner Ideen, die letztendlich in die berühmte Theodizee mündeten.
Renate Feyl erzählt mit großem Gespür für die Sprache des Barock und die leisen Zwischentöne vom Zauber einer »mariage mystique« - einer geistigen Liebe voller Esprit und Dezenz. Und es gelingt ihr, die Atmosphäre des Berlin im Aufbruch, die Zwänge des höfischen Protokolls und die Freiheit des intellektuellen Austauschs in eindrucksvollen Bildern einzufangen - und zugleich das Porträt einer faszinierenden jungen Frau zu zeichnen, die eine eigenständige Rolle sucht und das geistige Klima am Hofe prägt.
Aussicht auf bleibende Helle von Renate Feyl
LESEPROBE
Sophie Charlotte erwartete in Lietzenburg den Reichsfreiherrn von Leibniz. Sie freutesich auf ihn, denn er kam von zu Hause, vom Hof zu Hannover, brachteNachrichten von der Mutter und dem Bruder und war zudem ein Mann von Verstand.Letzteres schätzte sie besonders, zumal man sich neuerdings darin gefiel, aufjede Torheit stolz zu sein. Sie kannte Herrn Hofrat Leibniz von Kindheit an. Erwar der Ratgeber ihrer Mutter, auch Herzoglicher Bibliothekar, wurmte sich Tagund Nacht durch die Bücher, korrespondierte mit fast allen großen GelehrtenEuropas und verbreitete so ein philosophisches Air. Ständig beschäftigte ihnein gewichtiger Gedanke, und gerne ließ er andere daran teilhaben. BeimServieren einer Feigentorte hatte er ihr einmal erklärt, weshalb alle Dingeuniversell verknüpft sind, ein andermal nach einem Kirchgang das Prinzip seinerRechenmaschine erläutert, die im Gegensatz zur Pascalschen nicht nur addierenund subtrahieren, sondern auch multiplizieren und dividieren konnte. Bei einemSpaziergang im Park von Herrenhausen begründete er auf amüsante Art, warumBewegung notwendigerweise aus Bewegung entstehen muß,und selbst den Nutzen der Maulbeerbäume hatte er ihr mit geradezu glühendemEifer ans Herz gelegt.
Seit ihrer Heirat an den BerlinerHof vor 16 Jahren war ihr niemand mehr begegnet, der so unterhaltsam über dieschwierigsten Materien zu reden verstand. Überhaupt konnte sie hier mit keinemein Gespräch führen, das nachwirkte und mehr als nur der übliche Wortwechselwar. Die meisten ließen ihre Gedanken in immer derselben Bahn kreisen und kamennie über die allgemeine Meinung hinaus. Die Interessen konnten noch soweitgesteckt sein - letztlich ging es doch stets um das persönliche Fortkommen,um Posten, Ämter und Aufstieg. Für jeden höheren Zusammenhang fehlte ihnen derSinn, vom Urteil ganz zu schweigen.
Ihr Gemahl, der Kurfürst vonBrandenburg, hatte zwar das große Reich im Blick, verfolgte akribisch dieBeziehungen zwischen den Höfen und war unablässig mit politischenEntscheidungen befaßt, aber er sprach mit ihr nichtdarüber aus Angst, es könnten ihre Verwandten in Hannover erfahren. In diesen Dingenschloß er sie bewußt ausund hörte allein auf seine Berater. Am liebsten hätte er mit ihr über die Jagdgesprochen, doch davon wollte sie nichts hören. Ihren hirschgerechten Jägerauch nur mit einer Silbe in seiner Waidmannslust zu ermuntern kam für sie nichtin Frage.
Natürlich fehlte es ihr nicht anGelegenheiten zu reden. In ihrem Audienzzimmer drängten sich die Besucher. Abersie trugen immer nur Anliegen vor, verfolgten stets einen Zweck, hatten einenWunsch, eine Bitte, und immer nahm sie entgegen. Es war eine Pflichtkonversation,im besten Falle ein angeregter Austausch von Worten, aber doch nie einGespräch. Nichts Zweiseitiges. Nichts, was ihr das Gefühl gegeben hätte, inder eigenen Lebendigkeit und mit den eigenen Gedanken gefordert zu sein.Nichts, wo sie auch einmal etwas von ihrem Wesen und ihren Vorstellungen hätteeinbringen können. Immer war sie nur zugegen, mehr nicht. Von morgens bisabends hatte sie sich im Hofwirbel zu drehen, der ihr kaum eine Möglichkeitließ, auch einmal das zu tun, was sie wirklich tun wollte. Doch das sollte sichnun ändern. Leibniz hätte zu keinem glücklicheren Zeitpunkt kommen können.
Vor kurzem hatte ihr der Gemahl denkleinen Sommersitz, das Schlößchen in Lietzenburg, bauen lassen. Zwar nicht viel größer als einGutshaus, aber es war nur eine Meile von Berlin entfernt, recht hübsch an derSpree gelegen, und sie hatte es ganz nach ihren Wünschen einrichten können.Vom Großgeldverwalter Premier Kolbe war ihr für den Hofstaat ein auskömmlicherEtat bewilligt worden, was ihrer Selbständigkeit wohltat.Hier konnte sie ein anderes Leben führen als im düsteren Stadtschloßmit seinen schweren Augsburger Silberspiegeln, seinen dunklen Räumen und demsteifen Zeremoniell, das jede spontane Regung erstarren ließ. In Lietzenburg war sie frei von diesen Zwängen. Nicht daß sie hier ein besonders lockeres oder gar windigsündiges Leben führen wollte, aber sie kannte nun mal von zu Hause den freienHannoverschen Geist, war gewöhnt, über die neuesten Bücher zu reden und sichmit den schönen Künsten und der Wissenschaft zu beschäftigen. Sich diesenThemen zu widmen hielt sie für weit nützlicher, als den Pflichten einesprunkvollen Protokolls zu genügen. Zwar sah sie ein, daßder fürstliche Gemahl auf diese Demonstration seiner Macht nicht verzichtenkonnte und seine Herrschaft auch wirksam nach außen zu vertreten hatte, abersie fand, er mußte ja nicht alles derart übertreibenund auch noch seine Familie damit behelligen. Doch jetzt konnte sie endlicheinmal zeigen, daß es über die prächtige Etikettehinaus noch andere Möglichkeiten gab, um zum Glanz eines Fürstenhausesbeizutragen.
Als sie kürzlich ihre Mutter inHannover besuchte, hatte Hofrat Leibniz ihr die Idee unterbreitet, eine Societät der Wissenschaften ins Leben zu rufen, um die bestengeistigen Kräfte des Landes zu bündeln. Der Vorschlag gefiel ihr. GebündelteLichtstrahlen besaßen die doppelte Leuchtkraft. Griff sie diese Idee auf, standihr Hof bald in dem Ruf, ein Förderer geistiger Kultur zu sein. Mochte derGemahl in der hohen Politik auch das einzig Wahre und Wichtige sehen und allemanderen wenig Bedeutung beimessen - sie setzte auf den Geist. Auch wenn sichdamit keine imposanten Augenblickserfolge erzielen ließen und keine Ländereienzu gewinnen waren -, der Geist schuf seine eigene Größe und eigene Macht undtrug vielleicht mehr zum Ansehen eines Landes bei, als sich das drüben im Stadtschloß so mancher Minister vorstellen konnte. Sie sahzwar schon jetzt, wie sie von diesen ausgebrannten Wichtigtuern deswegen stillbelächelt wurde, aber sie zweifelte keinen Augenblick daran, bei ihrem Gemahldafür Verständnis zu finden. Schließlich war Kurfürst Friedrich für alles zuhaben, was Glanz und Reputation des Hauses Brandenburg vergrößerte. Darumhatte er jüngst auch nicht gezögert, eine Akademie der Künste zu etablieren.Ohne Frage, alles sah hoffnungsvoll aus. ()
© Verlag Kiepenheuer & Witsch
- Autor: Renate Feyl
- 2006, 3. Aufl., 272 Seiten, Maße: 13 x 21 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Kiepenheuer & Witsch
- ISBN-10: 3462037129
- ISBN-13: 9783462037128
- Erscheinungsdatum: 24.08.2006
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